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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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Der Tiefseetaucher (der übrigens noch lebte) war ein Mann, glücklich verheiratet, dabei temperamentvoll. Und Ute in ihm! Was für andere amüsant gewesen sein mag (ob wir Männer allerdings immer einverstanden waren mit des Tauchers Art zu lieben, einer Art, die wir nach vollziehen mußten – mußten ?), ihr wird es grauenhaft vorgekommen sein.
    Über diese »Panne« informierten wir die Psychologen erst abschließend. Warum ließen wir sie nicht die Untersuchungen führen? Nun, wir hatten schnell eine Erklärung zur Hand. Anne beschäftigte sich selbst ein wenig mit Psychologie und hatte auch ein Teilstudium absolviert. Dies war aber eigentlich nur ein Vorwand. Wir wollten Ute den Psychologen einfach nicht ausliefern, dazu kannten wir sie zu gut – und die Psychologen zuwenig. Oder besser gesagt: Viele von uns konnten die Psychologen nicht leiden. Sie kamen uns aufgebläht vor wie Geheimnisträger und Wichtigtuer (als seien wir anderen sowieso geistig angekratzt). Das merkwürdigste aber war: Ich wurde selber Psychologe, arbeitete mit ihnen, den Leuten mit den sanften Gesichtern und heimtückischen Fragen. Nun muß ich doch von mir erzählen.
Die Zeitmaschinen kamen über uns wie eine große Unordnung. Nicht alle vertrugen das. Andererseits konnte für neue Mitarbeiter nicht sofort in der Nähe des Instituts Wohnung gefunden werden. Man mußte wieder Verkehrsmittel einsetzen: ein ungewohntes Bild.
    Man ließ Kurse, Rundschreiben, Formulare, Berichtsforderungen auf uns los. Immer wohlbegründet. Zähneknirschend gehorchten wir. Zur Begründung eines größeren Berichts meinte der Veranlasser ironisch, wir müßten uns ja wegen der Zeitreisen ohnehin auf den Formularkrieg der Vergangenheit einstellen. Las überhaupt jemand diese dreißig Seiten? Wir hatten uns genug damit herumgequält, nun wollten wir es wissen. Wir schmuggelten deshalb mitten hinein den sinnlosen Satz: »Oma hat immer Hunger.« Unser Grinsen aber war verfrüht – man merkte es.
    Es war klar, die Zeitmaschinen brachten uns den Intimbereich der jeweiligen Vergangenheit. Nicht nur das, was zwischen den Zeilen der hinterlassenen Dokumente stand, nein, die komplizierte Psyche der Menschen würde nun sichtbar werden, ihre unmittelbaren Reaktionen auf alles mögliche, auch auf das, was nicht überliefert worden war. Unser Forschungsprogramm aber hieß: »Die Beziehungen der studentischen Jugend zur Gesellschaft in den fünfziger Jahren.«
    Erst verspürte ich nur ein bestimmtes Gefühl der Abneigung gegen die völlige Einstimmung auf die Zeitmaschinen. Dann aber – Utes Panne mit dem Taucher machte mich nachdenklich. Waren die Tests wirklich in jeder Richtung ausgewertet worden? Gewiß, Physiologen, Biologen, Psychologen, Pädagogen, Ärzte jeden Zweiges, Soziologen, Kybernetiker – und wer sonst alles mit dem Menschen zu tun hatte – waren befragt worden. Ihren Berichten nach verlief alles in den Grenzen der Erwartung und damit eines vernünftigen Risikos. Utes Fall wurde als ärgerliche Nachlässigkeit abgetan, es folgten Selbstkritiken und demonstrative Erklärungen, daß so etwas nicht wieder vorkommen würde. Frau zu Frau, Mann zu Mann, klar.
    Irgendwie war diese Auswertung merkwürdig. Hier stand der Mensch von vornherein im Mittelpunkt. Natürlich, auf ihn kam es ja an. Wie reagierte er auf den Test? Wie veränderte sich sein seelischer Zustand und sein körperlicher? Bei anderen Tests war es oft so, daß technische Dinge im Vordergrund standen. Maschinenverschleiß. Funktionssicherheit von Systemen und so. Manchmal mußte direkt gemahnt werden, den Menschen nicht zu vergessen… Nun, das kam hier nicht in Betracht.
    Mitten in der Nacht wachte ich auf. Natürlich! Auch hier gab es Daten, technische Daten! Energieaufwand, Leistung, Kräfte, kurz, Größen in allen Maßeinheiten. Warum hatte man das nicht geprüft? Weil hier keine Gefahr vorlag? Weil Gefahr allein für den Menschen bestand? Natürlich besteht sie immer nur für ihn, das heißt eben bei Versagen der Technik. Konnte die Technik denn hier nicht versagen? Aber ja, wenn zum Beispiel der Wandler nicht funktioniert. Aber das war gesondert überprüft worden, vor dem Test, hatte nichts damit zu tun.
    Trotzdem, die technischen Daten… Am nächsten Morgen forderte ich sie an. Erstaunt gab man mir die Speicheraufzeichnungen. Solche Aufzeichnungen sind schwer lesbar. Ich beschränkte mich auf das Zeitprotokoll. Es wurde mir erst nach der Codeentschlüsselung klar.
    Eintritt der VP.

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