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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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Gremium gründete einen Ausschuß in dieser Sache, dem Wissenschaftler fast aller Disziplinen angehörten. Der Ausschuß empfahl, einen neuen Forschungsbereich für Innenaspekte zu bilden. Wie alles Neue müsse auch er zwangsläufig zuerst Querschnittscharakter haben.
    Es begannen langwierige Untersuchungen, die diesem jungen Wissenschaftszweig den Spottnamen »Innung« eintrugen. Eines aber stellte sich bald heraus. Es gab – was wie ein Widerspruch klang – objektive Phänomene bei Innenaspekten. Nach fast zehnjähriger Forschung ging ein Tierexperiment in die Geschichte ein, das genauso sensationell war wie seinerzeit die klassischen Pawlowschen Hundeversuche über bedingte Reflexe. Zwei eineiige, im Meßbaren fast völlig gleichartig reagierende Zwillinge, wiederum ein Hundepaar, die während einer längeren Zeit mit gleicher Umwelt »gefüttert« worden waren, wurden plötzlich, voneinander getrennt, verschiedenen Einflüssen ausgesetzt, und zwar kurz nach dem (gleichzeitigen) Erwachen nach einem Narkoseschlaf. Beide zeigten ein deutliches Mischverhalten, das heißt, der eine reagierte mit auf die Umwelt des anderen in meßbarer, wenngleich schwacher Form. (Die Abweichung wurde im Vergleich mit einem anderen Paar von zwei verschiedenartigen Hunden festgestellt.)
    Damit trat die »Innung« aus dem Zwielicht einer nachgeredeten Mystik in die Welt des Meßbaren. Innenaspektforscher wurde Traumberuf.
    Innerhalb kurzer Zeit häuften sich die Resultate. Es zeigte sich, daß die berüchtigt-umstrittene Gleichheit zweier Individuen, die Ramajindra als Bedingung für sein Gedankenexperiment setzen mußte, nur in einigen Punkten erfüllt zu sein brauchte. Es waren achtzehn. Dies nannte einer der Forscher etwas unglücklich »Kennziffern«, als seien es Merkmale für Pässe, Individualdokumente des vergangenen Jahrhunderts.
    Stimmten also zwei Personen in diesen Kennziffern überein, so hatten sie ein gemeinsames Bewußtsein. Und bei genügend benachbarten »Kennziffernvektoren« konnten »Bewußtseinsüberlappungen«, feststellbar durch Telepathie, entstehen.
    Diese Übereinstimmungen mußten gleichzeitig auftreten. Das war nicht einfach, denn die Kennziffern zeigten sich leicht zeitabhängig, das heißt abhängig vom augenblicklichen Zustand der Person.
    Manche psychologischen Lehrmeinungen gerieten ins Schwanken. Viele dachten, es wären nun der Überraschungen genug. Um so entsetzlicher mochte für sie eines Tages das Geschrei der Informationssäulen geklungen haben. Es war der »Innung« gelungen, über Kennzifferngleichheit Verbindung mit Personen einer bereits vergangenen Zeit aufzunehmen. Nicht jeder Vektor war dafür geeignet, sondern nur sogenannte Eigenvektoren. Dieser neue Term wurde nicht willkürlich geprägt; in einem gewissen Sinne handelte es sich tatsächlich um Eigenvektoren mathematischer Art, das heißt um Lösungen einer Eigenwertaufgabe der linearen Algebra. Nachdem sich die erste Verwirrung gelegt hatte, erfuhr man folgendes: Erstens war es möglich, die individuellen Kennziffern gelenkt zu verändern. Zweitens: Nahm man dabei einen Eigenvektor an, so konnte man in eine Person und in eine vergangene Zeit übergehen – später sagte man »schlüpfen« –, die damals den gleichen Kennziffernvektor hatte. Drittens: Bei Rückkehr der Kennziffern zu den ursprünglichen Werten blieben unter Umständen Bewußtseinsinhalte (Remanenz) der Vergangenheitsperson für eine gewisse Zeit bestehen, also Erinnerung. Diese Umstände waren Gegenstand weiterer Forschung.
    Nicht genug damit, rückte schließlich ein fast vergessenes Gebiet in den Mittelpunkt allgemeinsten Interesses: die Graphologie. Aus graphologischen Analysen konnten Kennziffern gewonnen werden, das heißt speziell die Feststellung, ob eine bestimmte Person in der Vergangenheit einen Eigenvektor besaß oder nicht beziehungsweise ob man in sie »schlüpfen« konnte.
    Schon seit geraumer Zeit kreiste ein aus utopischen Romanen wohlbekannter Begriff. Aber nun sahen es fast alle als möglich an: den Bau von Zeitmaschinen.
    Es ist beinahe Mittag. Die Parks halten die Sonne fest. Zwischen den kleinen Wolken fächern sich Säulen von Raketenstartgasen. Die Proj, die stündliche Himmelszeitung, verblaßt.
    Aus einem Haus am Park treten zwei alte Menschen, Mann und Frau. Sie gehen gebeugt, halten sich an den Händen und bewegen sich langsam, beinahe feierlich, an den Bänken vorüber. Der Mann trägt einen modischen Treillard, die Frau hat sich in eine

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