Der Mann von Anti
würde doch alles sagen.
Und ich sagte ihnen alles. Sie schwiegen, sehr lange. Dann schaltete Heiner demonstrativ die Psychologenspeicherzentrale zu. Die KOMMISSION nickte heftig.
Zunächst brach Torsten einen heftigen Disput über die »Zeitanomalie« vom Zaun, aber die KOMMISSION und Anne stoppten ihn energisch. So etwas sei doch jetzt nicht zu klären. Geklärt werden müsse aber meine Zukunft.
Ute: Warum wollen wir’s nicht so machen, wie Dieter sagt? Er kann uns ja besuchen, sooft er will.
Gelächter, darauf Torsten: Soll Dieter im Mikrobereich versauern? Um so wenig zu tun, kann er zuviel.
Die KOMMISSION: Bitte exakt. Welche Tätigkeiten sollen es also sein?
Anne: Ich glaube, es ist an der Zeit, mal grundsätzlich zu werden. Die Zeitmaschine ist kein Spielzeug und das Schlüpfen kein Zuckerlecken. Ich hasse Schlagwörter wie Wendepunkt oder Scheideweg. Aber nun, da wir es von Dieter wissen – wenn sich auch keine genaue Gefahr abzeichnet, es kann alles mögliche passieren. Hat man irgendwann erwogen, von ZM-Experimenten überhaupt abzusehen?
Die KOMMISSION: Nein.
Torsten: Das ist klar. Fortschritt muß sein.
Ich: Fortschritt für wen?
Torsten: Für die Menschheit, mag es auch hochtrabend klingen. Opfer müssen notfalls gebracht werden.
Heiner: Torsten, du extrapolierst unzulässig. Was gestern richtig war, braucht doch morgen nicht mehr gut zu sein.
Torsten: Hast du auch Angst wie Dieter? Sollen wir statt unser etwa Roboter in die Vergangenheit schicken?
Keiner lachte. Es arbeitete in Utes Gesicht. Sie riß die Tür auf und lief hinaus. Auch Anne erfaßte Zorn: Wie sieht denn unser Fortschritt aus? Eine idiotische Ansammlung von Superspezialisten, nur die Speicher haben die Übersicht. Kein Mensch könnte das Ganze mehr erfassen. Arbeiten wir für die Speicher? Animalische Not leidet keiner mehr. Wozu also diese wahnwitzige Flucht in das Neue? Alles wirkt gehetzt. Eine Folge davon scheint mir zu sein, daß es keine Persönlichkeiten mehr gibt. Etwa solche wie Goethe.
Torsten: Goethe? Das war doch kein Wissenschaftler.
Anne: Doch. Aber lassen wir das.
Somit war die Diskussion zum zweiten Mal entgleist. Ute kam wieder herein. Seid ihr immer noch nicht fertig? Am liebsten würde ich euch Männer allesamt ins Bett nehmen, damit ihr endlich zur Ruhe kommt.
Die KOMMISSION: Wir haben ernsthaft das Für und Wider des ZM-Einsatzes geprüft. Auch die jetzt eben genannten neuen Gesichtspunkte verändern die Situation kaum. Einerseits zeichnet sich nach wie vor keine konkrete Gefahr ab, zum andern bilden die ZM einen integrierenden Bestandteil der Forschungsprogramme der nächsten Jahre im Institutsmaßstab – die Experimente können jetzt nicht mehr abgesetzt werden, ohne daß die gesamte Planung über den Haufen geworfen würde. Nun zu Dieter. Wir müssen uns wenigstens über eins klar werden: Kann er im Team bleiben oder nicht?
Darauf sagte ich leise, was ihr nur habt. Ich werde mich um eure Experimente kümmern, ohne mitzumachen. Ich bitte die Psychologen, daß sie mich aufnehmen. Anne wird mir dabei helfen.
Seufzend akzeptierte die KOMMISSION. Nur Torsten murrte etwas wie »Noch ein Überwacher«. Kam aber dann zur Besinnung und gab mir eine freundliche Hand.
Vielleicht ist der Eindruck entstanden, daß Anne und ich uns nicht mehr so wie früher verstanden. Immerhin wollte Anne ja an ZM-Experimenten teilnehmen, was aber durch meine Weigerung platonisch bleiben mußte – wegen der Paarbedingung. Sie konnte nicht fahren, da ich nicht mitfuhr. Man würde nämlich immer nur Paare in die Vergangenheit schicken, nie einzelne. Um Bewußtseinsremanenz, das heißt Erinnerung an das Erlebte, zu behalten, mußte die Reise mindestens vierzehn Monate dauern. Man setzte zwei Jahre fest. Zwei Jahre allein in der Einsamkeit der Vergangenheit, das sollte niemandem zugemutet werden. Außerdem blieb ja sonst der Partner in der Gegenwart zurück.
Ich hatte Annes Zukunftsvorstellungen also verdorben. Aber Anne und ich bestanden die Belastungsprobe. Anne war sich klar darüber, welche Aufgaben ihr noch blieben: teilzunehmen an ZM-Tests, die Berichte von zurückgekehrten Zeitreisenden auswerten zu helfen und – ZM-unabhängige Arbeit im Institut. Weder ich noch die anderen begriffen, daß sie damit unterfordert war. Sie brachte das Opfer – als Frau. Vielleicht hatte sie mir schon bei unserer abendlichen Diskussion mit ihrer Äußerung über den Fortschritt helfen wollen. Oder war es tatsächlich ihre Meinung?
Das Leben mit der
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