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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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nickte zögernd. Nur die Narbe an der Stirn…
    …es war nicht einfach, die Locken so zu legen, daß sie das Schandmal verdeckten. Bisweilen glaubte Scherua, daß die Haare ihren eigenen Willen hatten und daß dieser mit ihren Wünschen stritte, wer wohl der Stärkere sei.
    Sie saß vor dem Spiegel und versuchte es wieder und wieder, doch es wollte ihr nicht gelingen, das flammendrote Mal war unübersehbar. Sie war nahe daran zu weinen. Wer würde ihr glauben, daß sie eine Freie war, wenn die Narbe so deutlich das Gegenteil bewies? Der nächste assyrische oder babylonische Militärposten würde sie als entlaufene Sklavin aufgreifen und gefesselt nach Ninive oder Kalach zurückschicken. Wieder in Eriba-adads Hände zurück? Alles, aber nicht das!
    »Wenn das verfluchte Mal nicht wäre!« Sie stöhnte leise auf. »Wärest du einverstanden, wenn wir es wegnähmen?« fragte Konrad, der auf leisen Sohlen herangekommen war. Das Mädchen zuckte zusammen, dann breitete sich grenzenlose Freude auf ihrem Gesicht aus.
    »Du kannst das Zeichen tilgen? Wie würde ich dir danken!« »Nun, ich selbst kann es nicht.« Er lächelte. »Doch du kennst ja unsere Heilkundigen. Sie vermögen viel, und das können sie auch.«
»Ja? – Ja! Ja!«
»Du wirst ein paar Tage krank sein!« gab er zu bedenken.
»Dann aber ist sie weg? Ganz weg?«
»Es wird sein, als hättest du nie eine Narbe gehabt.«
»Bitte«, flüsterte sie.
Darauf sagte er der Göttin einige Worte in ihrer fremden Sprache. Sie nickte und verließ das Zimmer.
»Lege Kamm und Spiegel beiseite und laß jetzt die Haare sein. Du bekommst gleich etwas zu trinken. Es schmeckt bitter… aber du hast ja keine Angst, nicht wahr?«
Als die Unsterbliche einen Moment später hereinkam, brachte sie einen kleinen Becher. Scherua verzog das Gesicht, aber sie war tapfer.
Dann bemächtigte sich ihrer eine große Müdigkeit. Unwillkürlich griff sie nach Konrads Hand. Sein Lächeln war das letzte, was sie sah, bevor sie die Augen schloß.
Wie gut die Götter zu ihr waren!
    Als jemand ihren Arm erfaßte, wachte sie auf. Für eine Weile wußte Scherua nicht, wo sie sich befand; dann aber kamen die Erinnerungen in Scharen zurück. Die Göttin saß neben ihr – ja, sie wußte wieder alles.
    Die Unsterbliche nahm den kleinen Spiegel vom Schränkchen und hielt ihn ihr vors Gesicht. Scherua blickte hinein und erstrahlte plötzlich. Die Narbe war verschwunden, als hätte es sie nie gegeben! Nur besaß die Haut einen eigenartigen Glanz an den Stellen, an denen vorher das rote Mal geglüht hatte.
    Sie wollte ihre Stirn betasten, aber die Göttin hielt ihr die Hand fest und schüttelte den Kopf. Das war eindeutig.
Seltsam, wie matt sie sich fühlte! Kaum, daß sie Lust verspürte, die Hände zu bewegen.
Sie trank etwas Fruchtsaft und schlief bald wieder ein. Ja, müde war sie wirklich…
    »Was hältst du davon, unsere Sprache zu erlernen?« erkundigte sich Konrad ein paar Tage danach. »Du siehst selbst, daß es für uns alle schwer ist. Kaum jemand spricht Assyrisch. Und es wäre einfacher, wenn du unsere Sprache erlerntest, als wenn wir alle die deine erlernen müßten.«
    Scherua blickte ihn unsicher an. »Ich weiß nicht, wie… es ist doch die Sprache der Götter! Wie sollte ich die je verstehen?«
Offenbar sah Konrad das ein. Er blickte zu Boden und dachte sichtlich angestrengt nach.
»Scherua, wir sind keine Götter! Wir sind Menschen wie du.«
Sie schüttelte den Kopf. »Wie hätte ein Mensch dem König der Könige zuwiderhandeln können? Die Götter verliehen Eriba-adad unumschränkte Macht, nur sie konnten sie beschränken, niemand sonst!«
Plötzlich huschte ein Lächeln über Konrads Züge. Scherua, die schon fürchtete, etwas Ungehöriges gesagt zu haben, atmete auf.
»Versuchen wir es einfach! Vielleicht gelingt es dir. Und wenn du die Sprache beherrschst, bist du uns gleich. Oder nicht?«
Dem konnte sie nichts entgegensetzen. Nein, doch etwas: »Darf ich als Skla… als Sterbliche überhaupt eine Göttersprache erlernen?«
»Wenn wir es erlauben, doch, gewiß!«
Scherua nickte zögernd. Nun – schließlich… sie konnte es ja wagen. Mit Konrads Genehmigung, vielleicht gelang es ihr. Warum waren die Götter eigentlich darauf aus, sich nicht Götter nennen zu lassen? Ah, jetzt wußte sie es. Die Götter wollten unerkannt unter den Menschen umhergehen und deren Glauben an ihre Allmacht prüfen! Zur Vorsicht nickte sie noch einmal.
»Das – ist – ein – grüner…grüner – Baum«,

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