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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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möchte doch mal rauskommen, in der Nacht wäre eingebrochen worden. Und dann kam er mit einer tollen Story. Behauptete allen Ernstes, er sei von einer Horde Riesenkrebse angefallen worden, habe sich nur mit Mühe und Not aus der Einkreisung herausgeschlagen, saß nun vor Nässe und Kälte schlotternd in einem Bademantel, der ihm nicht gehörte. Ich setzte ihm Tee mit Rum vor. Dabei bekam ich dann heraus, er selbst hatte in einem Bungalow ein Fenster eingedrückt, angeblich nur, um von dort die Polizei anzurufen, den Bademantel hatte er dabei auch mitgenommen, weil – so sagte er – er sich nicht bis zu seinem Quartier getraut habe. Dumme Sache, sagte ich zu ihm, immerhin haben Sie einen Einbruch verübt, wenn wir die Geschichte mal nüchtern betrachten, dazu das Gewitter, ungünstige Lichtverhältnisse, und getrunken hatten Sie vorher auch! – Wir hatten etwa eine halbe Stunde gesessen, von den angeblichen Krebsen natürlich keine Spur, als draußen zwei Wagen hielten. Unsere Türsicherung war damals noch nicht eingebaut. Zwei Herren baten zuerst Herrn Redlich nach draußen, er sollte ihnen mal den genauen Hergang erklären. Durch das Fenster sah ich, wie Redlich einen der Herren plötzlich vor die Brust stieß. Das hätte er nicht tun sollen. Denn der stellte ihm blitzschnell ein Bein, Redlich taumelte, dann führten ihn zwei uniformierte Polizeibeamte zu einem geschlossenen Wagen, der gleich darauf abfuhr.
    Ein Herr stellte sich vor: ›Doktor Gutjahr, Nervenfacharzt. ‹ Er zeigte nach draußen und sagte: ›Delirium tremens. Säuferwahnsinn, wenn Ihnen das mehr sagt. Durch starken Alkoholgenuß hervorgerufene Bewußtseinstrübung mit Wahnvorstellungen. Wir haben das sofort angenommen. Immerhin mit Krebsen. Mal etwas Neues.‹«
»…und dieser Redlich, Herr Grau?«
    Herr Grau zuckte die Achseln. »Wir haben uns nach einem Nachfolger umgesehen. Deshalb sind Sie nun hier. Was sonst! Nach dem Urteil eines Facharztes!«
    Heute ist der achte Juni. Gestern brachte die Morgenzeitung ein Foto von meinem Vorgänger, und darunter stand: Wegen mehrfachen Diebstahls und schweren Einbruchs wird der im Bild dargestellte beschäftigungslose Franz-Karl Redlich, zur Zeit ohne festen Wohnsitz, gesucht. Dann folgte eine genaue Personalbeschreibung und der Hinweis, daß alle Polizeidienststellen sachdienliche Hinweise entgegennehmen, die auf Wunsch vertraulich behandelt werden. Das Foto zeigte Redlich vor einer Birke, deren Stamm sich in zwei Teile aufspaltet.
    Ich hatte in der vorigen Woche ein ähnliches Bild unter der Matratze gefunden. Diese Birke steht hier in der Nähe, nicht weit ab vom Wasser. Auf dem gefundenen Foto war der Hund mit abgebildet, in der Zeitung hatten sie den Hund weggeschnitten. Ich habe das Foto mit dem Hund Herrn Grau gegeben, der darüber sehr zufrieden war.
    Noch etwas fand ich unter der Matratze, aber davon habe ich Herrn Grau noch nichts gesagt. Redlich muß so eine Art Tagebuch geführt haben, ganz schlau werde ich nicht daraus, es sind auch nur zwei Seiten in einem kleinen Notizheft vollgeschrieben, mit Bleistift, so, wie ich es auch tun würde. Aber ich führe kein Tagebuch. Herr Grau hat mir bei der Einstellung dringend abgeraten. Ich soll lieber Kreuzworträtsel lösen, das bildet, und sogar eine Rätselzeitung hat er extra für mich bestellt. Manchmal unterhält sich Herr Grau mit mir über die Kreuzworträtsel, er fragt nach den Worten, die mir fehlen. Ein Rätsel in dem Heft ist immer ein Preisrätsel, einmal habe ich den zweiten Preis gewonnen, fünfzig Mark. Aber Herr Grau hatte mir dabei geholfen.
    Am. Nachmittag ging ich den Strand entlang, hatte die Schuhe ausgezogen und watete im Wasser. Die Sonne blendete etwas, und deshalb bin ich nicht sicher, ob es Wirklichkeit gewesen ist, was ich gesehen habe. Ich hätte einen Fotoapparat bei mir haben sollen, aber Herr Grau wünscht nicht, daß ich hier fotografiere. Wozu soll ich mir Ungelegenheiten machen, wo es mir hier so gut geht und ich mir vorkomme wie der liebe Gott in Frankreich. Ich watete also bis über die Knöchel in dem warmen und klaren Wasser, hatte die Hosenbeine hochgekrempelt. Der Hund ging auf dem trockenen Sandstreifen, was mich wunderte. Dann aber stand er plötzlich bis an den Bauch im Wasser, aber er bewegte sich nicht, und dicht vor ihm guckten zwei Gebilde aus dem Wasser, also fast wie zwei riesengroße Krebsscheren. Dann tauchten sie unter, kamen noch einmal hervor, und dann sah ich sogar einen Krebskopf, aber

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