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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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denen sich dicke Kabel schlängelten; interessanterweise nie auf dem Fußboden – stets in zwei Meter Höhe. Als ob der Boden unbedingt freigehalten werden müßte.
Etwas unschlüssig schaute ich mich um, wo in diesem Labyrinth Mr. Wilton sein Versteck hatte. Meine Führerin winkte mich in ein abgeteiltes Kämmerchen. Eine kleine Lampe strahlte auf die abmontierte Frontplatte eines Rechners und auf dessen »Innereien«, wie ich das nenne. Vor einem Schreibtisch saß der ominöse Wissenschaftler. Er drehte sich um, als unsere Schritte zu hören waren. »Ja?«
»Vater, das ist Mr. Hansen.« Und zu mir: »Mein Vater.«
»Angenehm«, murmelten wir beide gleichzeitig. Er war mir auf den ersten Blick unsympathisch. Gründe hätte ich kaum angeben können. Sein Gesicht war fett – nicht dick, sondern schwabblig-weich –, die Augen darin blickten kalt und starr. Er gefiel mir gar nicht. Doch da sah ich, er saß in einem Lehnstuhl, an dessen Armlehnen mehrere Knöpfe blinkten. Ob das…
Der Mann mußte meinen Blick bemerkt haben. »Ja, junger Mann«, meinte er kühl. »Sie sehen ganz recht. Da ich mich nicht so zu bewegen vermag, wie ich möchte, muß ich mich halt so bewegen, wie ich kann. Eben per Motor. Hatte das Pech, mit dem Auto gegen einen Brückenpfeiler zu fahren.«
»Es tut mir leid«, gab ich pflichtgemäß zurück. Sehr aufrichtig klang es wohl nicht, wie ich seinem Blick entnehmen konnte.
Dann murmelte er etwas wie: »Nun ja, vorbei ist vorbei. – Was war es denn eigentlich… Entschuldigen Sie«, fuhr er lauter fort, »ich würde Sie nicht behelligt haben, aber einer meiner Rechner ist entzwei. Meine Kleine wird Ihnen gesagt haben, was mit ihm passiert ist.«
»Zumindest hat sie es angedeutet. Darf ich den Schaden besehen?«
»Bitte.«
Er rollte mit seinem Stuhl beiseite. Ich schaute in die Maschine hinein, um mich zu orientieren. Aber – das war doch gar nicht die Schaltanordnung des »Neuraltron«-Rechners! Irgend jemand hatte daran herumgebastelt. Verdammt!
»Das stimmt«, bestätigte der Alte auf meine diesbezügliche Bemerkung. »Ihre Maschine war etwas langsam, wir haben sie deswegen umgeschaltet, Charks Fairey und ich. Das Schema… wo liegt es denn bloß? Cora, wohin habe ich es gelegt?«
»Hier ist es«, erwiderte sie leise und reichte ihm einen abgegriffenen Bogen. Ich nahm ihn dem Wissenschaftler aus der Hand, besah die Schemata und verglich sie mit den Neuralfäden im Gerät. Es stimmte eigentlich alles, und grundlegende Neuerungen waren es auch nicht; seine Abänderungen entsprachen ziemlich dem Stand der letzten Forschungsarbeiten. Freilich war es Unsinn, einen Rechner mühevoll umzuarbeiten, wenn es neue mit dem verbesserten Schema gab. Daß deren Produktion den Bedarf bei weitem nicht deckte, hatte allerdings auch ich gehört. Offenbar war das der Grund.
Deshalb unterließ ich eine Bemerkung in dieser Richtung, nahm ein paar herumliegende Plastnadeln und schob die Neuralfäden beiseite, um den Speicher zu besehen. Schon bald entdeckte ich einen dunklen Fleck darauf.
»Überlastung. Zwei oder drei Zellen sind durchgeschmort. Haben Sie Ersatzstücke da?«
»Cora, haben wir Ersatz im Lager?«
Sie dachte einen Moment nach und verneinte.
Ich griff also zu einem scharf geschliffenen Spezialplastmesser – Metall ist als Leiter wegen der Schwachströme viel zu gefährlich, es eignen sich nicht einmal alle Plastarten! – und begann die beschädigte Stelle herauszuschneiden. Das Abtrennen der haardünnen Fäden erforderte ein gewisses Fingerspitzengefühl, denn die Nachbarelemente mußten ungeschädigt bleiben. Neuronische Schaltungen sind in dieser Hinsicht extrem empfindlich. Es dauerte zehn Minuten, bis ich mit dem Minisauger die beschädigte Gruppe herauszog und mit dem Unikleber die verbliebenen Elemente verband. Die Speicherkapazität hatte sich nun um ein oder zwei Millionstel verringert – im allgemeinen war so etwas bedeutungslos. Ob hier… Was ging’s mich an! Ohne Ersatzteile gab es keinen anderen Weg.
»Das wäre es.«
Ich legte den Deckel wieder auf und schraubte ihn fest. Bei einer Testrechnung erwies sich, daß alles in bester Ordnung war. Ich nickte zufrieden und legte das Werkzeug beiseite.
»Vielen Dank«, sagte der Wissenschaftler, rückte den Rollstuhl an die Maschine und legte mit irgendwelchen Rechnungen los. Meine Anwesenheit hatte er offenbar schon wieder vergessen.
Gewiß ist niemand von uns geradezu auf Dankbarkeit angewiesen, aber etwas freundlicher hätte auch ein Mr.

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