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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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Wilton sein können. Wie es schien, gehörte er zur Kategorie Rauhbeine – Art: besonders unausstehlich!
Cora schaute mich betreten an, sagte aber nichts. Vielleicht schämte sie sich für ihn.
»Herr Wilton!« Ich genoß es, ihn zu stören. Da ich schon einmal hier war, wollte ich gleich alles klären. »Herr Wilton!«
»Was gibt’s denn?« fragte er, ohne sich umzudrehen.
»In Ihrer Werkstatt befindet sich eine Störquelle! Ist Ihnen das noch nie aufgefallen?«
Er zuckte mit den Schultern und rechnete weiter, als ob ich mich in Luft aufgelöst hätte. Nun langte es mir.
»Ich möchte diese Quelle jetzt gleich ausfindig machen. Vielleicht haben Sie die Güte, mir dabei zu helfen. Oder interessiert es Sie nicht, ob andere Leute mit ihren Geräten Ihretwegen Ärger haben?«
Jetzt schaute er auf und musterte mich abschätzend. »Es interessiert mich in der Tat nicht. Aber wenn Ihnen so viel daran liegt…Charles wird sich darum kümmern.«
Ich schüttelte den Kopf. »Lieber gleich! Sie könnten es vergessen, und wenn ich schon hier bin…«
»Von mir aus«, knurrte er. »Schauen Sie sich um. Kann mir nicht denken, daß etwas nicht in Ordnung ist. Aber der Teufel holt Sie, wenn etwas kaputtgeht!«
Ich machte mich ans Werk. Cora schaute mir neugierig zu. Sie schwieg die ganze Zeit – – ein wenig tat sie mir leid. Mit so einem Menschen zusammen zu leben… Ich würde mich dafür bedanken.
Der Schuldige fand sich bald. Es war ein ungenügend abgeschirmter Schalter einer Biobatterie. Natürlich ist an solch einem Ding nichts Besonderes, aber bei der Arbeit strahlt das Biest nun mal hochfrequente Wellen ab. Ein bißchen Metallfolie half sofort und gründlich.
Mr. Wilton murrte währenddessen laut und unfreundlich. Cora schlug die Augen nieder und schwieg wie ein verschüchtertes Tier.
Natürlich, jetzt wird mir das klar. Ich muß geradezu blind gewesen sein. Selbstverständlich, welcher Automat dürfte seinem Herrn widersprechen?
Indessen scheint es, als ob gerade mein Widerspruch – so naheliegend er auch war! – Cora beeindruckt hat. Sie war nur an stillen Gehorsam gewöhnt, so daß jemand, der dem Alten entgegentrat… Hm, so könnte es gewesen sein. Mr. Wilton konnte niemandem gefallen, und auf die Dauer mußte es Cora gegen ihn aufbringen.
Aber das heißt doch, daß sie vielleicht damals begann, sich aus der Abhängigkeit zu lösen. Oder daß sie es versuchte.
Könnte es so gewesen sein?
    Immer wenn ich ins nächstgelegene Einkaufszentrum ging, erkundigte ich mich nach den Wiltons. Aber das, was ich herausbekommen wollte, wußte niemand recht – ob der Mann immer so unfreundlich gewesen oder es erst durch den Unfall geworden war. Manche kannten ihn mehr oder weniger flüchtig.
    Früher war er noch selbst unterwegs gewesen, die Lähmung mußte erst in der letzten Zeit schlimmer geworden sein; aber auch damals mochte man ihn nicht. Er hatte an allem und jedem etwas auszusetzen und führte sich unausstehlich auf.
    Von der Tochter dagegen wußten alle, daß sie recht hübsch sei – manche Frauen sagten das auffällig gedehnt oder betont gleichgültig –, aber die meisten nannten sie durchtrieben und verdorben. Man habe schon ein knappes Dutzend Freunde oder Verlobte gezählt. Ihr Männerverschleiß sei unvorstellbar. Aber bei ihrem Aussehen fände sich immer wieder ein Ahnungsloser, der sich blenden lasse. Sie stelle ihre Figur ja reichlich unbekümmert zur Schau.
    Auf dem Rückweg nach einem Einkauf traf ich sie zufällig. Sie kam von einer anderen Ecke, benutzte aber dieselbe Straße. Vermutlich hätte ich sie nicht bemerkt; sie aber erkannte mich und rief mich an.
»Hallo!« Sie winkte mir zu und kam herüber.
     
Ich grüßte zurück. Sehr begeistert klang es wohl nicht.
    »Man sieht Sie ja gar nicht«, behauptete Cora, als sie heran war. Ich ging nicht darauf ein, bot ihr aber an, das Netz für sie zu tragen.
    Daß sie daraufhin ablehnte, war mir ausgesprochen lieb. Ich schleppe auch nicht gern.
»Ich bin stark!« versicherte sie und reichte mir nachträglich die Hand zum Gruß.
Ich hatte einige Mühe, nicht herauszuplatzen. Erstens war sie schmal und zierlich gebaut, und zweitens sahen ihre Arme nicht so aus, als ob sie an Lasten gewöhnt seien. Hätte ich es damals wörtlich genommen…!
Was sie angezogen hatte, nahm ich erst später zur Kenntnis. Die neueste Mode stellte es nicht dar, immerhin: Der rote Pullover aus halb durchsichtigem Stoff – damit man nichts übersah! – fehlte ebensowenig wie der mit

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