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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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dunkle Ecke des Ganges.
Jason zuckte zusammen. Dann lächelte er erleichtert über seine Einbildung. Er hatte geglaubt, Johanna dort sitzen zu sehen, aber es war nur ein Schatten, der die Form eines gedrungenen Katzenkörpers angenommen hatte.
Beruhigt stieg Jason die vereisten Stufen in den unteren Teil der Kältekammer hinunter. Hinter ihm glitt die Luke wieder in ihre ursprüngliche Stellung zurück, so das Eindringen warmer Luft verhindernd. Lediglich ein schmaler Spalt blieb offen, Rost und Eis hatten sich dazwischengeklemmt.
Es war einer der Laderäume, in denen eingefrorene Schweine lagerten. Alles in Ordnung.
Jason kletterte die Leiter eilig hoch. Es waren wenigstens zwanzig Grad unter Null. Er hatte keine Kältekleidung übergeworfen und fror nun erbärmlich.
Das Schott bewegte sich noch schwerer als vorher. Jason gelang es nur mit allergrößter Anstrengung, es um wenige Zentimeter zu öffnen, dann blieb die Stahltür wie festgeschweißt stehen. Erfolglos stemmte sich Jason dagegen. Er versuchte, sie wieder zu schließen. Vergeblich. Sie bewegte sich keinen Millimeter mehr, weder vor noch zurück.
Trotz der Kälte bildeten sich feine Schweißtröpfchen auf seiner Stirn. Er untersuchte die Tür, konnte jedoch keinerlei Ursache für ihr Versagen entdecken. Ein weißer Wattebausch feuchten Atems stand vor seinem Gesicht, zerflatterte in der heftigen Bewegung, machte Platz dem hastigen Nachfolger.
Verdammter Schrotthaufen! Er fand ein Stück Rohr und versuchte erfolglos, es als Hebel zu benutzet. Voller verzweifeltem Zorn stemmte er sein ganzes Gewicht hinein. Nichts.
Die Kälte drang empfindlich durch die dünne Kleidung. Jason wurde nervös. Mühsam versuchte er seine Panik zu bekämpfen. Er mußte hier ‘raus, koste, es, was es wolle. Ruhe, nur Ruhe bewahren. Die Fingerspitzen wurden fühllos, die Nase war ein vereister Klumpen. Er hämmerte gegen die Tür: Sie war zu dick, um eine Resonanz zu erzeugen. Der Handballen schmerzte einen kurzen Augenblick, dann betäubte ihn die Kälte.
Die Kammer hatte noch einen zweiten Ausgang im unteren Teil. Jason rutschte die Stufen hinunter, stürzte fast, doch der zweite Ausgang war vom Schiffsinneren her verschlossen. Resigniert ging er durch die Kälte zurück und begann wieder an der oberen Tür zu zerren, bis seine Kräfte nachließen. Die Kälte ließ die Muskeln steif werden, die Finger öffneten sich kaum noch, um den eisigen Griff wieder fahrenzulassen.
Entmutigt kauerte sich Jason zusammen, schlang die Arme um die Schultern. Langsam starben die Glieder ab, sie gehörten ihm nicht mehr; zögernd entfernte sich die Außenwelt. Er lebte nur noch in seinem hilflosen Innern. Von draußen drang kein Laut. War er allein? Knisterte dort etwas? Er lauschte. Wo mochte Johanna sein? Er konnte ihn doch hier nicht so verrekken lassen.
Ruf nach ihm, Jason, ruf! Wenn dir einer helfen kann, dann er. Die Menschen sind weit, zu weit, um dich zu hören.
Nein, Johanna ist nicht nachtragend.
Du hast ihn beleidigt? Aber nein. Er hat dich beleidigt mit seiner Anmaßung; dein Hilferuf würde ihn in seiner Überheblichkeit bestätigen.
Jason verzerrte das Gesicht. So tief würde er sich nicht demütigen, niemals! Er fühlte sich fähig, sich selber zu helfen; er wollte den Triumph des Erfolges selbst genießen.
Jason schüttelte die Schwäche ab. Mühsam erhob er sich und versuchte sich durch Bewegung wieder zu beleben. Doch auf dem kleinen Platz vor dem Schott war nicht viel Raum. Unten war es noch kälter, also blieb er bei dem wärmenden Spalt der Tür und versuchte durch Anhauchen wenigstens seine Finger vor dem Absterben zu bewahren. Nach einer Weile gab er es auf: Es hatte keinen Zweck. Da kam er auf die Idee, eine Hand sowie einen Fuß durch den schmalen Spalt zu zwängen, um sie von der Wärme des Ganges wieder auftauen zu lassen.
Nun hielt er einen nackten Fuß und die rechte Hand in den belebenden Luftstrom. Als er jedoch nach einiger Zeit die Stellung wechseln wollte, bekam er den Fuß nicht wieder zurück. Er zerrte, bis die Haut abgeschürft war und Blut hervortrat, aber er hatte nicht mehr genug Kraft. War das sein Blut, sein Fuß, sein Kopf, zusammengehalten durch einen Willen? Das war lange her. Jetzt waren es einzelne Teile, Fragmente ohne Funktion. Wie lange dauerte das schon?
Nichts veränderte sich hier, nichts war ein Maß als das fortschreitende Absterben seines Körpers.
Jason versuchte sich zu erinnern. Er wurde ganz ruhig. Wenn er sich nicht schon langsam an

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