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Der Mann von Anti

Der Mann von Anti

Titel: Der Mann von Anti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ekkehard Redlin (Hrsg)
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Äußeren. Alles war steingrau an dem Menschen, das wirre, fransige Haar, seine Hautfarbe, sogar die gediegene, wenn auch ziemlich unmodische Kleidung. Sicherlich irgendein verstaubter Gelehrter, der sich das Vergnügen dieser Luftreise nicht entgehen lassen wollte, mutmaßte ich.
    Der Mann beobachtete Bratt mit sichtlichem Interesse, was diesen nicht im geringsten zu stören schien. Gewiß war er zudringliche Blicke gewohnt. Allerdings wäre ihm wohl selbst mein verspätetes Erscheinen lieber als die Gesellschaft des grauen Herrn. Ich beschloß, doch noch zum A-Deck zu gehen.
    Da hörte ich den Mann etwas sagen. Er sprach leise, schleppend. Ich verstand ihn nicht. Bratt ging es offenbar ebenso. Er wandte sich mit fragendem Blick um.
»Wie froh und unbekümmert die Menschen sind!« wiederholte der Mann. Er wies auf die gläserne Wand, hinunter zur Erde.
    Wo der Schatten des Luftschiffs wie eine Wolke über Siedlungen und Städte glitt, zeigten sich himmelwärts starrende, jubelnde Menschen. Züge hielten beim Nahen des Giganten auf der Strecke an, die Reisenden erstiegen die Dächer der Waggons und winkten, winkten.
    »Wundert Sie das?« fragte Bratt. »Der Flugkatamaran ist eine großartige Leistung. Haben Sie sich das Schiff schon angesehen?«
»Ich sah den TV-Bericht.«
    »Na bitte«, murmelte Bratt selbstgefällig. »War doch ein Erlebnis. Oder?«
Frechheit! dachte ich. Er wäre mit seiner Reportage jämmerlich eingebrochen, wenn ich ihm nicht geholfen hätte.
Bratt fuhr fort: »Den Komfort, den Sie hier finden, bieten kaum die Tiefsee-Liner, von unseren Großraumschiffen nicht zu reden!«
»Mag sein«, erwiderte der Mann. »Raumschiffe fliegen dafür nicht so gemächlich wie Ihr Katamaran. Zeit kann kostbar sein, sehr kostbar sogar!«
Wollte er nörgeln? Litt er etwa noch an dem Tick, der den Vätern arg zusetzte. Schneller, immer schneller, hieß es damals.
Bratt winkte lässig ab. »Wir schätzen den Genuß eines sinnvollen Lebens. Ohne Hektik und Überschall.«
»Sinnvolles Leben!« Um den schmalen Mund des anderen spielte ein unbestimmtes Lächeln.
»Nun ja«, betonte Bratt. »Im Raumverkehr brauchen wir lichtnahe Geschwindigkeiten. Das hat mit unserem Lebensstil nichts zu tun. Sind Sie schon einmal im Raumschiff gereist?«
Der Mann blickte Bratt an, als wüßte er nicht, was er darauf antworten soll.
Natürlich hat er keine Ahnung vom Kosmos, schloß ich aus seinem Schweigen. Das war voreilig; denn nun sagte er etwas mit überlegenem Lächeln, allerdings so leise, fast flüsternd, daß es mir entging.
Ich stellte die Lautstärke am Video nach und hörte gerade noch, wie er fragte: »Und Sie?«
»Ich bin öfter mal draußen auf den Raumbasen«, erklärte Bratt. »Empfänge und so, nicht der Rede wert. Aber einen richtigen Fernflug, außerhalb des Systems – den habe ich noch vor mir.« Er senkte den Kopf. »Zum Sirius!« murmelte er.
Der Fremde nickte. »Sirius, nicht schlecht.«
»Diese Sirianer – das sind Leute!« ereiferte sich Bratt. »Kultiviert, weltmännisch! Ich habe sie kennengelernt, damals auf Orbitalstation sieben, wo wir die Abordnung empfingen. Ach, Schwamm drüber!« Er seufzte. Seine Hand fuhr über die Augen.
Jon Bratt in schmerzliche Schwärmerei versunken, kaum zu glauben! Dann jedoch erinnerte ich mich der romantischen Geschichte, die immer wieder über ihn verbreitet worden war. Beim Gegenbesuch auf dem sirianischen Raumschiff habe er sich in eine Astronautin jener fernen Welt verliebt, erzählte man sich. Es soll seine große Liebe geworden sein, die hübsche Gal… Und eines Tages sei ein kleiner Terro-Sirianer dagewesen. Er habe die Vergißmeinnichtaugen vom Vater und die lilasamtene Haut der Mutter geerbt. Keine sehr glückliche Farbkomposition, aber auf dem Sirius sei man darin nicht kleinlich. Und wieder eines Tages mußte Gal in ihre Heimat zurück. Mit dem Jungen.
Und Bratt? Es hieß, er habe nie mehr über diese Episode gesprochen. Warum auch? Zwischen Gal und ihm lagen Lichtjahre. Und noch etwas flüsterte man sich zu. Seitdem habe Bratt keine rechte Beziehung zu irdischen Frauen. Gal sei und bleibe für ihn unvergleichlich. Geschwätz! Oder steckt ein Quentchen Wahrheit darin?
Die Absicht, zürn A-Deck hinunterzufahren, gab ich endgültig auf. Ich war viel zu neugierig, was ich am Bildschirm noch erfahren würde.
»Sie sind zu beneiden«, sagte der Mann neben Bratt.
»Ich?« Bratt blickte auf. »Na ja…« Er war wieder voll da, ganz der alte.
»Sie und alle hier«, meinte

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