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Der Mann zweier Welten

Der Mann zweier Welten

Titel: Der Mann zweier Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond F. Jones
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ausgebaut. Es gab von hier aus einen Eingang zum Innern des Gebäudes. Er rechnete damit, daß er geöffnet war.
    Leider hatte er sich getäuscht.
    Es war hoffnungslos, die Tür aufzubrechen. Der elektrische Verschluß machte aus Tür und Wand eine Metallplatte.
    Er konnte nichts tun als warten. Vielleicht öffnete jemand die Tür von innen. Wenn allerdings eine ganze Gruppe herauskam, war er verloren.
    Er setzte sich neben der niedrigen Wand hin. Hin und wieder konnte er über sich einen dieser geheimnisvollen silbernen Punkte erkennen, die so rätselhaft über Kronweld standen. Kein Mensch wußte, was sie waren.
    Die Zeit kroch langsam dahin. Einmal döste er ein und schrak auf, als unten an der Straße ein Wagen vorbeifuhr. Seine Finger tasteten die Taschen des kurzen Leibrockes ab. Er hatte immer noch die Spritze mit dem Schlafmittel bei sich.
    Am östlichen Rand des Himmels zeigte sich die Dämmerung. Die erste Sonne mußte bald aufgehen. Was sollte er tun? Wenn er noch lange wartete, war ihm der Fluchtweg über die Mauer abgeschnitten. Und wenn man ihn hier erwischte, war ihm der Tod sicher.
    Ein plötzliches Geräusch am Eingang ließ ihn aufmerksam werden. Er sprang auf und glitt neben die Tür. Eine junge Frau trat ins Freie und betrachtete die aufgehende Sonne. Ihr kurzes Haar war zurückgestrichen. Ketan bemerkte erleichtert, daß sie allein war. Und ihre Figur wirkte etwas grob, so daß es ihm nicht schwerfallen konnte, ihre Rolle zu spielen. Über dem kurzen Gewand trug sie eine weiße, schimmernde Robe, wohl eine Art Ritualkleid.
    Sie fuhr zusammen, als er sich von der Mauer löste. »Du hast mich erschreckt. Ich dachte, ich sei als erste nach oben gekommen. Ist der Himmel nicht herrlich? Ich frage mich, ob wir ihn später auch sehen können.«
    Ketan trat lächelnd vor. Dann legte er blitzschnell die Hände um ihren Hals. »Keinen Laut«, sagte er mit heller Stimme. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Diesmal gehst du noch nicht in den Geburtstempel.«
    Die Augen des Mädchens waren schreckgeweitet. Sie sah, daß er nicht zu den Mädchen des Vorbereitungszentrums gehörte. »Wer bist du?« würgte sie.
    »Hoffentlich erfährst du es nie. Zieh dich aus, schnell. Wir müssen die Kleider tauschen.«
    Sie zitterte. »Nein. Das sind meine Einweihungsgewänder. Ich muß sie heute zum Geburtstempel tragen.«
    »Deshalb will ich sie ja«, sagte Ketan grimmig. Er drückte ihr eine Hand auf den Mund und zog ihr mit der anderen die Robe aus. Sie wehrte sich, bis er sie in die Ecke schleppte, wo seine Harpune lag. Er fesselte sie und knebelte sie mit dem Saum des Kleides. Dann zog er sich schnell um. Als er fertig war, machte er eine Schlinge in das Seil und streifte sie um ihre Knöchel. Dann nahm er ihr die Fesseln ab.
    »Was hast du vor?« fragte sie.
    »Nichts Gefährliches.« Er hielt sie fest und gab ihr eine Spritze in den Arm. »Jetzt halte dich an dem Seil fest. Du kannst nicht fallen, weil dein Fuß in der Schlinge steckt. Ich lasse dich über die Mauer hinunter.«
    »Nein. Ich habe meinen Eid abgelegt. Ich könnte mich nie wieder auf den Straßen von Kronweld bücken lassen. Ich wäre verachtet.«
    »Sobald du unten bist, suchst du den nächsten Wachmann auf und erzählst ihm, was dir zugestoßen ist. Man wird dich das nächstemal in den Tempel einlassen.«
    »Man wird dich umbringen.«
    »Vielleicht. Und jetzt schnell …«
    Er schob sie drohend zum Rand. Sie packte voller Angst die Leine. Ketan ließ sie schnell herabgleiten. Sie sah haßerfüllt nach oben, aber Ketan war verschwunden, und die Leine wurde hinaufgezogen.
    Als er zurückging, sah er, wie sie über die Straße rannte. Er hoffte nur, daß kein Wachmann in der Nähe war. Doch dann sah er, wie sie sich an die Brust faßte und taumelte. Sie würde einen halben Tag später als Varano erwachen.

 
10
     
    Er holte aus seiner Tasche ein Färbemittel, das er sich ins Haar sprühte. Dann schnitt er sich ein paar Fransen und kämmte das Haar an den Schläfen ins Gesicht. Er tönte seine Augenbrauen und veränderte seine Nase mit einem Stückchen Plastilin. Das war das schwerste Stück Arbeit, und Ketan hoffte nur, daß ihn niemand erkannte.
    Zwei Dinge konnte er nicht verändern. Da war zum ersten seine Stimme und zum zweiten seine Augenfarbe. Das Risiko mußte er auf sich nehmen.
    Er ging auf die Tür zu und machte sie ganz auf. Eine schmale Treppe führte auf einen langen Korridor mit dicken Teppichen. Sanftes Licht erhellte den Gang. Zu

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