Der Mann,der durch das Jahrhundert fiel
mit dem Haus noch mal überlegen müssen ...«
»Wir müssen mit dem Haus nicht überlegen! Was ist eine Investition von 20.000 gegen eine Immobilie von über einer halben Million? Verkauf nur vier Skulpturen und wir müssen über Geld nie wieder reden! Spürst du denn nicht, wie sich gerade eins zum anderen fügt?«
»Doch, ja, aber ich glaube, dass sich der Kunstmarkt trotzdem schwertut mit metergroßen Bronzeskulpturen, die Luther darstellen, meine Großmutter oder Heinz Rühmann«, versuchte Paul noch einmal seiner Mutter zu verdeutlichen.
»Das ist dem Kunstmarkt egal, was sie darstellen, Hauptsache, sie sind von ihm«, erklärte sie kategorisch. »Es geht um die Marke!«
»Weiß ich nicht. Darauf würde ich mich, ehrlich gesagt, nicht verlassen.«
»Da muss ich mich aber sehr wundern! Du kaufst irgendwelche Blue Chips an der Börse in Hongkong, erzählst mir, dass die nach oben gehen, obwohl du nicht mal erklären kannst, was solche Blue Chips überhaupt sind, aber auf deinen eigenen KDJ-Großvater würdest du dich nicht verlassen?«
»Ich würde das nicht miteinander vergleichen. Ich weiß nicht, was das mit den Blue Chips zu tun hat! Da habe ich einen Fehler gemacht, ich hab mich auf den Hang Seng Index verlassen, darauf hat sich die halbe Welt verlassen!«
»Du machst ständig Fehler!«
»Jeder macht Fehler! Hätte dein Vater ein Haus auf einer festen Wurte oder Worps gekauft, dann müsste ich jetzt nicht im Schlamm herumbuddeln! Es gibt übrigens sehr wohl eine Moorallergie! Ich kann nämlich schon wieder nicht atmen! In Berlin konnte ich immer atmen, nur hier nicht! Diese fürchterlichen, sauerstofflosen Bleichmoose! Obenherum lebend, untenherum tot, sie wachsen auf ihrem eigenen, abgestorbenen Untergrund, habe ich gelesen! Und in diesem Untergrund, in diesem dickflüssigen, toten Wasser, in dem wahrscheinlich auch alte Germanen, Hexen und Jäger und sonst was herumliegen, wolltest du, dass ich bade!«
»Da macht jemand eine Banklehre und dann weiß er noch nicht einmal, dass Blue Chips nicht gut sind, das beschäftigt mich.«
»Mein Gott, die waren mal gut, aber dann wurde ungeheures Geld verbrannt und es war überall weg!«
»Geld kann nie ganz weg sein! Bei dir ist es weg! Und wenn deine Bank behauptet, dass es bei ihr auch weg sei, dann würde ich die sofort fragen, wo es jetzt ist. Irgendjemand muss es ja haben! Als ehemaliger Bankmann kann man doch nicht so naiv sein!«
»Ich war nur zwei Wochen in der Bank! Außerdem ...«, er kam nicht mehr dazwischen.
»Ich mag das Naive. Eigentlich ist das Naive etwas Schönes. Es schützt die Welt vor dem kalten Blick, aber wenn du jetzt den KDJ nicht ordentlich verkaufen kannst, dann bist du auch noch ein naiver Galerist, bei dem nur Erfolglose herumhängen. Du kannst dir doch nicht von so einem die ganze Galerie vollstellen lassen? Da muss man auch mal ein Machtwort sprechen. Nimm lieber deinen Großvater und trenne dich von dem Erfolglosen!«
»Tut mir leid, ich liebe deinen Vater, aber Opa ist total out! Du nervst, du hast keine Ahnung vom Kunsthandel!«, schoss er zurück.
Mein Gott, er hatte doch recht, dachte er, seit 30 Jahren hatte keiner mehr etwas von Paul Kück gekauft, nur Ferdinand von Schulenburg, aber der war auch schon tot. Er würde sich lächerlich machen, wenn er in seiner Galerie in Berlin zwischen diesen Opa-Skulpturen sitzen und so tun würde, als ob sie überregional wären, abgesehen davon, dass sowieso keiner in die Galerie kam außer Kovac, aber das wusste seine Mutter ja nicht.
»Jungejunge, du bist aber in keiner guten Verfassung heute. Ich rufe später wieder an, wenn du dich beruhigt hast!«
Sie legte auf.
Diese Art Achterbahn fuhr sie oft. Ob es die Bleichmoose waren, die jede Bakterie töteten und angeblich gut für die Gesundheit waren, oder Blue Chips, die man in Hongkong nicht hätte kaufen dürfen, ganz egal - sie wusste alles besser. Und wenn Paul nicht atmen konnte oder seine Sicht der Dinge vortrug, stellte sie ihn als unwissend dar, unfähig, naiv oder negativ denkend, wie im Falle vom Willy-Brandt-Besuch, wo man aber wirklich nicht wusste: War Willy Brandt nun tatsächlich in Großvaters Garten gewesen oder vielleicht doch nicht, schließlich war das angebissene Stück Butterkuchen in der Gefrierkühltruhe noch kein Beweis. Und wehrte er sich, wie jetzt mit dem Kunstmarkt, dann war er plötzlich ihrer Ansicht nach in einer schlechten Verfassung, sodass sie das Gespräch lieber beendete. Es war zum
Weitere Kostenlose Bücher