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Der Mann,der durch das Jahrhundert fiel

Der Mann,der durch das Jahrhundert fiel

Titel: Der Mann,der durch das Jahrhundert fiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Rinke
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Rudolph?« Er klappte mit einer schnellen Bewegung sein Handy auf, während ihn der Mann so musterte, als würde er nicht nur sein Gesicht, sondern jetzt auch sein Inneres zeichnen wollen.
    »Sagen Sie, dieser geistesgestörte Mackensensohn, der hier gelebt haben soll ...Wer war da eigentlich die Mutter? War das die da?« Er zeigte auf Marie.
    Paul wurde es unheimlich, er sah auch zu Marie. »Wer sagt Ihnen überhaupt, dass er ein Mackensensohn ist?« Er spürte, wie sich die Fragen in seine Kindheit bohrten.
    »Sehen Sie! Genauso habe ich auch reagiert, als mir das jemand erzählte. Mit Mackensen kenne ich mich aus, wo soll da plötzlich noch ein Kind herkommen? Aber diese Frau ist abgeholt worden von der Gestapo. Wissen Sie zufällig, warum und wohin sie gebracht wurde?«
    »Nein«, antwortete Paul. »Leider nicht.« Mein Gott, dachte er, reichte es nicht, Nazis auszugraben, musste der jetzt auch noch mit diesen Marie-Fragen kommen, die seit Tagen in ihm hochkrochen wie das kaltfeuchte Moor? »Ich wüsste nicht, was das mit Ihrem Lexikon zu tun hat. Möchten Sie nun ein Taxi oder wollen Sie meinem Großvater jetzt auch noch anhängen, dass unsere Familienangehörigen abgeholt wurden?«
    »Mir reicht es, wenn Sie mir einen Schlüssel für diesen Schuppen besorgen. Ich habe das Gefühl, dass darin jemand auf uns wartet, da gab es ja auch diese Stimmen.« Er klopfte dabei mit der Pumpe gegen die Scheune, so als sei jemand drinnen, der ihm aufmachen könnte. Dann begab er sich, ohne Verabschiedung, auf den Weg die Auffahrt hoch zum Teufelsmoordamm.
    Paul lehnte mit dem Rücken an der Scheunentür. Sein Hemd war nass geschwitzt, in der Hand hielt er die Liste mit der Nordischen Gesellschaft.
    Ganz hinten, im Schutz des Hauses, stand Nullkück. Er hatte sich dem Fremden nicht zu nähern getraut, winkte Paul vorsichtig zu und rief zum Frühstück.
    Paul setzte sich an den Küchentisch, schlug eine freie Seite in seinem Notizbuch auf und notierte unter »Der siebte Tag im Moor / Aktuelle Probleme«:
     
    Fremder Mann ist uns auf der Spur.
    Großvater in Nordischer Gesellschaft.
    Reichsbauernführer muss dringend verschwinden!!
     

Kindheitsknoten
    Paul saß am Frühstückstisch und starrte auf die Visitenkarte, die neben dem Buchweizenpfannkuchen lag, diesmal serviert mit Bauernschinken und Knoblauch.
     
    Dr. Anton Rudolph Honorarprofessor am Institut für Geschichtswissenschaft Universität Bremen
     
    Nullkück nahm die Karte, bemerkte, wie verknittert sie war, und steckte sie in seine Hosentasche.
    »Aus dem Schnapsschuppen muss das Ding sofort weg, es muss überhaupt ganz weg. Hast du schon mal etwas gesprengt?«, fragte Paul.
    Nullkück drückte ihm eine Gabel in die Hand und setzte sich mit einem frischen Pfannkuchen an den Tisch, er schien sich schon richtig zu freuen auf seine neue Variation.
    »Es ist vermutlich einfach, Skulpturen zu sprengen, die sind innen hohl«, erklärte Paul und führte die Gabel zum Mund. »Sag mal, ist das die Knoblauchbrühe, die du sonst gegen die Maulwürfe nimmst?«
    Nullkück nickte.
    Meist gab es die Buchweizenpfannkuchen nur mit Buchweizen und Salz. Manchmal mit Apfelgelee oder Schweineschmalz von Renken. Oder als Klöße, da mischte Nullkück das Buchweizenmehl mit Milch, einem geschlagenen Ei und zwei Esslöffeln Fett und formte daraus Klöße, die er 15 Minuten im Rilketopf schmoren ließ.
    Nach dem Frühstück standen sie auf und setzten sich an Nullkücks Computer. Sogar zwischen den Buchstaben der verklebten Tastatur bemerkte Paul alten Buchweizen.
    Sie klickten die Seite weg mit: »US-Soldaten stürzen Saddam-Denkmal in Bagdad«, darunter: »Erdbeben in der Türkei / Lungenseuche SARS (Schweres akutes Atemwegssyndrom) in Asien ausgebrochen« und googelten unter dem Stichwort »Bombenbau«.
     war zu lesen, dass für einen Stahlbetonkamin, den jemand in Lübben gesprengt hatte, Nitroglycerin verwendet worden war und 30-prozentiges Wasserstoffperoxid. In der Apotheke bekäme man aber nur 3-prozentige Lösungen, Nitroglycerin gar nicht, geschweige denn TNT. Frühere Terroristen, wie die von der RAF, hätten teilweise noch Düngemittel mitbenutzt. Düngemittel gab es hier bei jedem Bauern, aber den neueren Mitteln wurden brandunterdrückende Substanzen beigemischt. In den meisten Einträgen wurde auf Al Qaida und Osama bin Laden verwiesen. Sie googelten auch einen Beitrag, in dem es hieß, man solle lieber solarbetriebene Autos bauen und nicht Bomben. Nullkück schlug noch

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