Der Mantel - Roman
Willen ist das jetzt? Bei Vaterschaft gibt es weder ein eigentlich noch ein fast. Gott sei Dank. Eigentlich könnte ich vieles sein. Bin ich aber nicht. Ich bin kinderlos. Und mit deiner Mutter verbindet mich eine rein berufliche Beziehung. Oder hast du jemals etwas anderes gehört?« Seine Stimme war nun von Misstrauen getränkt. Was war hier los? Er würde mit der Graseder reden müssen und zwar bald und deutlich.
»Oh nein«, stieß Fabian aus, »das hat mit meiner Mutter gar nichts zu tun.«
Schmidt hakte trocken ein: »Ich weiß nicht, was du mit mir vorhast, aber mit deiner Mutter hat deine Geburt sogar viel zu tun.«
Der Junge verzog das Gesicht: »So meinte ich das ja nicht. Ich wollte nur sagen, sie hat so was nicht gesagt. Sie hat nur gesagt, dass mein Vater nett war, aber bald nach meiner Geburt nach Südamerika abgehauen ist. So nett kann er nun nicht sein, sonst wäre er bestimmt hier geblieben.«
Fabian schaute Shiva nach, der seiner zweiten Lieblingsbeschäftigung, dem Krähenjagen, nachging. »Schon gut«, beschwichtigte Schmidt, »dein Vater wird seine Gründe gehabt haben, wegzugehen.« Schmidt dachte an seinen Vater, der nicht nach Südamerika gegangen war. Er hatte das Aufwachsen seines Sohnes wie durch einen Vorhang vor Ort beobachtet.
»Gründe. Was für Gründe könnten das sein?« Nun war Fabian aufgebracht, sein Gesicht zornig. »Ich weiß nicht, was das für ein Grund sein könnte. Meine Mama ist hier und ich bin auch hier.« Seine Stimme war voller Trotz.
»Deine Mutter hat mir davon erzählt. Es ist keine einfache Situation. Weißt du, ob sie mit ihm Kontakt hat?« Die Frage war noch nicht ganz ausgesprochen, da ärgerte er sich schon über ihren komplizenhaften Charakter.
Fabian aber antwortete sofort: »Nein. Sagt sie jedenfalls. Das verstehe ich einfach nicht. Darum habe ich mich gefragt, ob du es vielleicht sein kannst und nicht irgendjemand in Südamerika.«
»Meine Antwort auf die Frage kennst du ja jetzt. Lass uns umkehren, wir verspäten uns sonst.« Er rief den Hund, der sich gerade im gestreckten Lauf einer Ansammlung von drei großen Hunden näherte. Das würde sicher Ärger geben. In der Tat stürzte er sich auf ein Ungetüm mit langem weißem Fell. Schmidt brüllte nun den indischen Götternamen in die Parklandschaft. Aber es war wohl mehr dem heftigen Eingreifen der zwei anderen Hundebesitzer, gut fünfzig Meter entfernt, zu verdanken, dass Shiva den potenziellen Raufplatz schließlich in raschem Lauf verließ, um schuldbewusst zurückzukehren.
Schmidt ermahnte ihn noch einmal streng, als er bei ihnen ankam, dann nahm er die unerwartete Auseinandersetzung wieder auf: »Du warst etwa fünf, als deine Mutter bei mir zu arbeiten begann. Wie hätte das dann zusammengepasst?«
»Weiß nicht. Ihr könnt euch ja woanders kennengelernt haben, oder?«
»Fabian, zum letzten Mal, wenn sie fünf Jahre nach deiner Geburt auch noch zu mir zum Arbeiten gekommen wäre, warum würden wir uns heute mit Sie anreden und völlig getrennte Leben leben?« Der Junge trottete nur neben ihm her, hatte sogar den Hund vergessen, der ihm so viel zu bedeuten schien. Seine Augen waren auf den Kiesweg fixiert. »Ich weiß. Da passt gar nichts zusammen. Aber meine Mama mag dich so gern. Sie redet so gut über dich. Richtig viel.«
Schmidt war dieses Bekenntnis neu und unkomfortabel. Er hatte die Graseder vor Jahren kennengelernt in einem unbeholfenen Einstellungsverfahren. Eigentlich war das mehr von Bettina gesteuert als von ihm.
Der Auswahlprozess war dann in Wahrheit mehr ein finaler Wettbewerb zwischen seiner scheidenden Anwaltsgehilfin auf der einen und seiner noch nicht geschiedenen Frau auf der anderen Seite gewesen. Bettina hatte sich damals heftig in seine Kanzleiangelegenheiten eingemischt, eigentlich ein Wunder, dass es Bettina war, die ihm schließlich die Graseder empfahl. Sabine Graseder war noch nicht lange Anwaltsgehilfin, erinnerte er sich. Sie kam aus der Staatsverwaltung. Aber sie lernte schnell. Sie fügte sich ein, ging mit viel Fingerspitzengefühl mit Bettina um. Am Anfang hatte er strengste Förmlichkeit gewahrt, um jeden auch nur denkbaren Konflikt mit seiner Frau zu vermeiden. Hatte sie doch der Vorgängerin angedichtet, sie habe sich an ihn herangemacht. Es mochte auch eine Reaktion auf den Ausgangsfehler gewesen sein, die Kanzlei in die Wohnung verlegt zu haben. Kanzleiräume und eine andere Frau im Haus statt Babyzimmer und heller Kinderstimmen … Die Graseder
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