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Der Marathon-Killer: Thriller

Titel: Der Marathon-Killer: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Stock , Andreas Helweg
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entlassen«, erwiderte Marchant ruhig. »Das Ziel war Turner Munroe, der amerikanische Botschafter.« Wylie benutzte, wie Marchant erkannte, eine Standardverhörstrategie: Dabei versteifte man sich zunächst auf die weniger plausible von zwei Haupttheorien (Ex-MI6-Agent voller Groll), um zu sehen, ob die Antworten des zu Vernehmenden zu der plausibleren passten (Ex-MI6-Agent rettet MI5 den Arsch). Das hatte er im Fort gelernt, zusammen mit Leila.

    »Als der Befehl erteilt wurde, langsamer zu werden, sind Sie und er im gleichen Tempo weitergelaufen, um das Ziel zu erreichen, nämlich die Tower Bridge«, fuhr Wylie fort, fand seinen Rhythmus und kaute schneller auf seinem Kaugummi. Er sprach so enthusiastisch, dass er auch Marchant mitriss, bis er den unterschwelligen Sarkasmus heraushörte. »Sie haben diesem Mann sogar geholfen weiterzulaufen und ihn gestützt.«
    Wylie warf ein Schwarz-Weiß-Überwachungsfoto auf den Tisch. Es war mit einem Teleobjektiv aufgenommen und zeigte Marchant und Pradeep, wie sie auf die Brücke zuliefen. Marchant erschrak, wie erschöpft er aussah: Pradeep schien eher ihn zu stützen. Er spürte wieder die Schlaffheit in den Gliedern, und unter dem Tisch streckte er die Beine.
    »Warum sind Sie nicht langsamer geworden wie befohlen?«, fragte Wylie und blieb hinter Marchant stehen.
    Marchant nahm das Foto, ließ sich Zeit mit der Antwort, versuchte die Person hinter sich einzuschätzen und ordnete seine Gedanken. Die genauen Abläufe beim Finale leuchteten ihm immer noch nicht ganz ein. Hatten die auf Pradeep geschossen, weil er nicht langsamer wurde? Er meinte, die Schüsse erst gehört zu haben, als sie schon gingen.
    »Pradeep wollte diesen Selbstmordanschlag nicht durchführen«, sagte Marchant über die Schulter. »Wenn Sie mich fragen, so hat man ihn dazu gezwungen. Als ich ihn angesprochen habe, hat er sich gefreut über die Hilfe. Das war eine instinktive Reaktion: ›Wie kann ich verhindern, getötet zu werden?‹ Nachdem sein Überlebenswille
geweckt war, dachte er auch an andere, vor allem an seinen Sohn, der getötet werden sollte, falls Pradeep seine Mission nicht erfüllt. Als wir uns der Brücke näherten, wurde diese Sorge für ihn immer dringlicher. Er wurde nicht langsamer, als ich ihn dazu aufforderte, und wie Sie auf dem Foto sehen, musste ich eingreifen, um das Tempo zu verringern.«
    Marchant ließ das Foto auf den Tisch fallen. Die beiden Männer beobachteten schweigend, wie es sich drehte und dann still liegen blieb. Marchant wünschte sich einen Ventilator.
    »Ist Ihnen eigentlich je der Gedanke gekommen, dass Sie zu den von Ihnen ergriffenen Maßnahmen nicht befugt waren?«, fragte Wylie, der immer noch hinter ihm stand. »Schließlich waren Sie suspendiert.«
    Marchant bemerkte die Kursänderung. »Ich habe mich wie ein anständiger Bürger verhalten.«
    »Anständig?« Wylie lachte. »Ihr verlotterter Lebenswandel ist allgemein bekannt, Marchant.«
    Marchant blickte nach vorn und antwortete gleichmütig: »Ich habe etwas Verdächtiges bemerkt, und ein Anruf bei der Terror-Hotline war keine Alternative.«
    »Warum nicht?«, brüllte Wylie und schob sich vor Marchant. Wenn er wütend war, schnappte seine Stimme über und wurde schrill. Eigentlich hätte es lustig wirken müssen, stattdessen war es unheimlich.
    »Warum nicht?«, wiederholte Marchant, jetzt lauter, da er Wylie wieder sehen konnte. »Weil ich kein Telefon bei mir hatte, verflucht.«
    Marchant versuchte sich zu beherrschen, damit er nicht schrie. Es gab keinen Grund, Leila mit hineinzuziehen. Sie
würde ihnen von ihrem TETRA-Handy erzählen, wenn sie befragt wurde. Langsam und deutlich, als spräche er mit einem Kind, sagte er: »Ich habe mich entschieden, bei Pradeep zu bleiben. Ich war nicht sicher, ob er so leicht wiederzufinden wäre. Schließlich waren fünfunddreißigtausend Läufer unterwegs.«
    »Darunter auch einige unserer Beamten«, warf Wylie ein.
    Plattfüße, die zehn Minuten für einen Kilometer brauchen, dachte Marchant.
    »Der Anschlag kam nicht völlig überraschend«, fügte Wylie hinzu.
    »Ganz sicher nicht.« Und der Bericht, den Marchant über den Vorfall verfassen würde, würde daran keinen Zweifel lassen: Der MI5 hatte alles kommen sehen und die Sache trotzdem vermasselt.
    »Haben Sie vorher darüber Bescheid gewusst?«, fragte Wylie, und seine Stimme schnappte erneut über. Diesmal holte er einen Asthma-Inhalator hervor und sog gierig daran.
    »Das habe ich nicht

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