Der Marathon-Killer: Thriller
gespielt.
»Tut mir leid wegen Sonntag«, fuhr er fort. »Wir haben versucht, Sie so schnell wie möglich aus Thames House herauszuholen, aber streng genommen sind Sie im Augenblick
nicht im Dienst. Der MI5 wollte Sie unbedingt als Gast dabehalten.«
»Man hätte glauben können, ich wäre derjenige gewesen, der den Sprengstoffgürtel trug.«
»Hoffentlich war es nicht zu unangenehm?«
»Sechs Stunden Fragen und Antworten. Erst haben sie mir unterstellt, ich hätte dem Attentäter helfen wollen, dann behaupteten sie, es sei alles eine Inszenierung des MI6, damit ich auf meinen Posten zurückkomme. Wen wundert’s, dass die den Anschlag nicht haben kommen sehen.«
»Genau darum geht es, fürchte ich. Die Angelegenheit lässt sie in keinem guten Licht dastehen. Und um die Wahrheit zu sagen, uns auch nicht. Alle hatten angenommen, die Anschlagserie vom letzten Jahr sei beendet. Niemand hat etwas kommen gesehen. Sind Sie sicher, dass der Mann aus Südindien stammte?«
»In Kerala geboren und aufgewachsen.«
»Wir alle hatten gehofft, diese Bedrohung sei vorüber. Die einzige Person, die bei dieser Sache Lob verdient hat, sind Sie, und Sie hätten eigentlich gar nicht da sein sollen.«
»Kann man es nicht einfach als allgemeine Geheimdienstoperation darstellen?«
»Die Medien sind nicht das Problem. Es ist der Premierminister. Er versteht einfach nicht, wie ein einziger suspendierter Agent der Grund dafür sein kann, dass aus einer fröhlichen Marathonveranstaltung kein Blutbad wurde. Und ich verstehe es auch nicht so ganz.«
Das war Fieldings Art: Man merkte nicht, wann das eigentliche Verhör anfing, weil er vordergründig immer
höflich blieb. Sobald man jedoch die Deckung herunternahm, verpasste er einem einen Aufwärtshaken, der saß.
»Leila hat uns im letzten Moment angemeldet. Eine Freundin von ihr arbeitet für einen der Sponsoren. Es war verrückt, wir hatten nicht genug trainiert. Unterwegs beim Marathon habe ich einen komischen Gürtel bemerkt und bin der Sache nachgegangen. Langsam wäre es mir fast lieber, ich hätte die Finger davon gelassen.«
»Und Sie haben keine Warnung erhalten? Haben Sie gehört, dass Cheltenham am Samstag etwas abgefangen haben soll?«
»Keine Warnung, nein.« Es wäre sinnlos, Leilas Bemerkung zu erwähnen, dachte er. Das würde einen falschen Eindruck erwecken, als habe sie ihm mehr erzählt, obwohl sie eigentlich gar nichts verraten hatte. Es war eben nur eine Bemerkung gewesen, keine verlässliche Information. Trotzdem machte er sich Sorgen, weil Fielding ebenfalls an der Zufälligkeit der Begegnung zweifelte.
»Ohne Leila hätte ich das gar nicht geschafft«, fügte Marchant hinzu. »Wissen Sie das?«
»Sie war gut. Und sie hat ohne Zweifel eine große Zukunft vor sich. Sie auch, wenn Sie nur wollen.«
Fielding bezog sich auf sein Verhalten in den letzten Monaten, als sich alte Dämonen von ihren Ketten losgerissen hatten und sich von disziplinierter Geheimdienstarbeit nicht mehr in Schach halten ließen. Fielding blieb bei einer der ältesten Eichen im Savernake Forest stehen. Die oberen Äste waren im Sturm abgebrochen, und so blieb nur der schiefe Stamm, der aussah, als würde er sich vor Schmerzen krümmen. Fielding bückte sich, betrachtete den Ansatz der Wurzeln und legte eine Hand ins
Kreuz. Manchmal war der Schmerz so schlimm, dass er sich im Büro auf den Rücken legen und die Sitzungen in dieser Position leiten musste.
»Frühlingsmorcheln«, sagte er und drückte einen Strauch zur Seite, um sich die Pilze genauer anzusehen. Marchant beugte sich ebenfalls vor. »In Butter gebraten ein Genuss.« Beim MI6 in London war allgemein bekannt, wie wichtig Fielding seine Ernährung war. Eine Einladung zu einem seiner Gourmet-Dinner in seiner Wohnung am Dolphin Square war mehr wert als eine Gehaltserhöhung. Er richtete sich wieder auf und drückte nun beide Hände ins Kreuz, wie ein Pfarrer, der vor seiner Gemeinde sprach. Beide starrten in den Wald, durch dessen Laubdach an manchen Stellen Sonnenstrahlen fielen und helle Flecken auf dem Waldboden bildeten.
»Haben Sie vor, weiterhin eigene Ermittlungen im Fall Ihres Vaters anzustellen?«
Marchant gefiel der Ton nicht. In einem stillen Moment auf der Beerdigung seines Vaters hatte Fielding ihm gesagt, er solle es sein Büro wissen lassen, wenn er irgendetwas herausfand. Außerdem hatte er ihn darum gebeten, seine Nachforschungen nicht an die große Glocke zu hängen. Sollte er jedoch zu einem ähnlichen
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