Der Marathon-Killer: Thriller
dem widersetzt, aber der Premierminister hat sie gewähren lassen. Und jetzt haben sie ihn anscheinend dazu überredet, die Veröffentlichung des Berichts zu verhindern, indem sie behaupten, die CIA habe etwas Handfestes ausgegraben.«
»Über meinen Vater? Was?«
»Was wissen Sie über Salim Dhar?«
»Dhar?« Marchant zögerte und dachte nach. »Gilt als einer der Hauptverdächtigen, der Drahtzieher hinter den Bombenanschlägen vom letzten Jahr zu sein, es gibt aber keine Beweise für eine direkte Verbindung. Er ist eher gegen die Amerikaner als gegen die Briten. Ich habe vor einer Weile mal seine Akte gelesen.«
»Ausgebildet an der amerikanischen Schule in Delhi, dann untergetaucht«, sagte Fielding. »Die Inder haben ihn zwei Jahre später in Kaschmir verhaftet und in eine Haftanstalt in Kerala gesperrt, wo er eigentlich jetzt sitzen sollte. Was er jedoch nicht tut.«
»Nein?«
»Er gehörte zu den Gefangenen, die bei der Geiselnahme in Bhuj Ende letzten Jahres freigepresst wurden.«
Das war zwar nicht gerade sein Spezialgebiet, aber er erinnerte sich an den Vorfall, der beinahe exakt nach dem Vorbild der Flugzeugentführung von 1999 verlief, bei der ein Airbus der Indian Airlines in Kandahar festgehalten worden war. Als Ergebnis war Omar Sheikh trotz internationaler Proteste freigelassen worden. Wer nach Bhuj entlassen wurde, war niemals an die Öffentlichkeit gelangt.
»Al Kaida muss viel von ihm halten«, sagte Marchant und fragte sich, wann sein Vater ins Spiel kam.
»Bis Bhuj haben wir Dhar als unbedeutenden Terroristen eingestuft. Als Preis für seine Freiheit haben die aber etwas Spektakuläres von ihm verlangt. Keinen Monat später hat er mit Raketenwerfern auf das US-Botschaftsgelände in Delhi geschossen.«
Marchant hatte von dem Anschlag gelesen, während er vor Trauer die Welt ansonsten nur verschwommen wahrgenommen hatte. Es war kurz nach dem Tod seines Vaters und noch vor der Beerdigung passiert. Neun US-Marines hatten das Leben verloren.
»Was hat das alles mit meinem Vater zu tun?«
Fielding antwortete nicht sogleich und wirkte unschlüssig, ob er fortfahren sollte. »Die Amerikaner sind ganz
versessen auf Salim Dhar. Nach Delhi hat er einen Anschlag auf ihr Botschaftsgelände in Islamabad verübt und dabei weitere sechs Marines getötet. Und jetzt hat die CIA nachgewiesen, dass ein hochrangiger Beamter des MI6 Dhar in Kerala besucht hat, kurz bevor er bei der Geiselnahme freigepresst wurde.«
Marchant sah auf. »Und die glauben, es sei mein Vater gewesen?«
»Sie arbeiten mit einer entsprechenden Theorie, ja. Tut mir leid. Offizielle Aufzeichnungen über einen solchen Besuch gibt es nicht. Ich habe alle Dienstbücher überprüft, und zwar mehrmals.«
Marchant wusste nicht, was er davon halten sollte. Für den Leiter der Dienststelle in Chennai wäre es nicht ungewöhnlich gewesen, Dhar unter einem Vorwand einen Besuch abzustatten, doch für den Chef des MI6 wäre es äußerst unorthodox, extra dafür aus London anzureisen.
»Im Zusammenhang mit den Untersuchungen des MI5 sieht das nicht sehr gut aus, fürchte ich«, fügte Fielding hinzu. »Einige sind davon überzeugt, dass Dhar der Kopf hinter den Bombenattentaten bei uns ist, obwohl seine bisherigen Opfer bevorzugt Amerikaner waren.«
»Und was halten Sie davon?«, fragte Marchant. »Sie haben meinen Vater besser gekannt als die meisten.«
Fielding blieb stehen und wandte sich Marchant zu. »Letztes Jahr stand er unter großem Druck, die Weste des MI6 reinzuwaschen. Damals gab es viel Gerede über einen Insider beim Service, über eine Verbindung auf höchster Ebene zu Terroristen in Südindien. Und trotzdem, warum sollte er persönlich mit Dhar sprechen?«
»Weil er sonst niemandem vertrauen konnte?«, bot Marchant als Erklärung an. Welchen Grund sein Vater auch immer gehabt haben mochte, sicherlich hatte ihn die schiere Verzweiflung dazu getrieben.
»Die einzige gute Nachricht ist, dass die Einzelheiten des Indienbesuchs Ihres Vaters noch nicht auf Bancrofts Schreibtisch gelandet sind und vielleicht auch nie ihren Weg dorthin finden werden«, sagte Fielding. »Seine Aufgabe bestand darin, einen Schlussstrich unter den Abgang Ihres Vaters zu ziehen, und nicht, die ganze Affäre neu aufzurollen. Er muss die Beweisstücke zunächst überprüfen, ehe er sie dem Committee vorlegt, und im Augenblick gibt es da nicht viel.«
»Gibt es überhaupt welche?«
»Einen Zeugen, den Gefängnisaufseher von Dhar, Polizeichef in
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