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Der Marathon-Killer: Thriller

Titel: Der Marathon-Killer: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Stock , Andreas Helweg
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schloss, während draußen der Schneeregen ans Fenster schlug. Hoffentlich irrte er sich, was ihre Beziehung betraf, hoffentlich würde es ein »uns« geben, und hoffentlich würde es die nächsten Monate überstehen.

6

    Marchant beobachtete aus dem Fenster seines Schlafzimmers im sicheren Haus, wie der Zug aus dem Dorf nach London abfuhr. Wieder dachte er an Pradeep, der auf der Brücke gestorben war. Einen Moment lang fragte er sich, ob eine der beiden Kugeln vielleicht ihr Ziel verfehlt hatte. Hatten sie ihn ebenfalls erschießen wollen? Es wäre der richtige Augenblick gewesen - als Pradeep in seinen Armen zusammenbrach -, wenn sie sich nicht um Kollateralschäden scherten.
    Draußen fuhr ein Land Rover die Straße entlang, die sich durch das Tal zog. Vermutlich wollte er ins Dorf, doch dann bog er auf den Weg ab, der zum sicheren Haus führte. Es war ein schmutziger dunkelblauer Defender, und während er auf das Haus zuholperte, erkannte Marchant das Firmenzeichen der Elektrizitätswerke auf den Wagentüren. Er hörte Geräusche von unten. Seine Aufpasser rührten sich und bereiteten sich auf die Begegnung mit dem Fahrer vor, sie würden ihm die Rollen vorspielen, die man ihnen zur Tarnung gegeben hatte.
    Neben dem Haus befand sich ein kleines Umspannwerk, das von einem grünen Metallzaun eingegrenzt wurde und über einen eigenen orangefarbenen Windsack verfügte, der sanft im Morgenwind wogte. Auf dem Grundstück lag auch ein alter Atombunker. Einem kleinen Schild zufolge,
das vom örtlichen Heimatverein aufgestellt worden war, hatte er während des Kalten Krieges dem Royal Observer Corps, einer zivilen Verteidigungsorganisation, gedient und konnte drei Personen bis zu einen Monat lang beherbergen.
    In der Umgebung gab es nur Felder. Marchant nahm an, dass der Land Rover vom Wartungspersonal des Umspannwerkes gefahren wurde. Vermutlich wurde es routinemäßig überprüft, dachte er, aber der Wagen parkte genau vor seinem Fenster, und er kannte den Mann, der auf der Beifahrerseite ausstieg. Es handelte sich um Marcus Fielding, den Nachfolger seines Vaters.
    Von dem Augenblick an, in dem Fielding vor fünfzehn Jahren in den Geheimdienst eingetreten war, war er als zukünftiger Leiter des MI6 gehandelt worden. Die Medien hatten ihn zum Wegbereiter einer neuen Agentengeneration gekürt: Arabisten, die nach dem Kalten Krieg dazugestoßen und mit Al Kaida aufgewachsen waren. Sie hatten ihr Handwerk in Kandahar und nicht mehr in Berlin gelernt, sie hatten sich die Hörner in pakistanischen Trainingslagern und nicht in Moskauer Parks abgestoßen, und sie trugen Turban statt Trenchcoat.
    »Ich nehme an, dass sich bisher niemand bei Ihnen bedankt hat«, sagte Fielding, als sie einen Pfad durch den Savernake Forest entlangspazierten. Marchant ließ sich von der Jovialität des Mannes nicht einwickeln. Fielding hatte Marchant immer den Rücken gestärkt und die Suspendierung als zeitweiligen Rückzug im eskalierenden Grabenkrieg zwischen MI5 und MI6 abgetan. Doch die Ereignisse beim Marathonlauf dürften auch seine Loyalität auf die Probe gestellt haben, denn
dadurch wuchsen die Spannungen zwischen den Diensten wieder.
    Um sie herum tropfte überall Regenwasser von den Blättern und erzeugte ein Klatschen wie leiser Applaus. Marchant sah zurück zum Land Rover. Zwei Männer aus dem Haus standen schweigend an dem Denkmal für George III., das auf einer Lichtung aufragte.
    »Da haben Sie ja eine ganz schöne Show abgezogen«, fuhr Fielding fort. »Haben einer Menge Menschen das Leben gerettet. Der Premierminister hat mich gebeten, Ihnen persönlich seinen Dank zu übermitteln. Turner Munroe wird sich auch noch bei Ihnen melden.«
    »Der will bestimmt nur seine Uhr zurückhaben. Beim MI5 waren sie nicht so dankbar.«
    »Nein, sicher nicht.«
    Sie gingen weiter durch den alten Wald, beobachtet von den knorrigen Eichen. Fielding war groß und schlank und wäre mit seiner hohen, kahlen Stirn und dem nach hinten gekämmten Haar als Professor durchgegangen. Sein Gesicht wirkte eigenartig kindlich, fast engelhaft. Um das auszugleichen, trug er eine Brille mit Stahlgestell, die zu dem gelehrten Äußeren passte und die hohe Stirn betonte. Von den Kollegen hatte er schnell den Spitznamen Vikar bekommen. Er war Chorschüler in Eton gewesen, und auch heute konnte man ihn sich leicht in Soutane und Kollar vorstellen. Er trank nicht und war nicht verheiratet. Gebete hatten bei seinem Aufstieg allerdings kaum eine Rolle

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