Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Marathon-Killer: Thriller

Titel: Der Marathon-Killer: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Stock , Andreas Helweg
Vom Netzwerk:
hatte.
    »Ich ruf dich an.« Sie schwieg kurz. »Paul?«
    »Ja?«
    »Danke.«
    Damit beendete Leila das Gespräch und sah sich in dem Durcheinander um. Ihr Blick fiel auf das Bild von sich selbst und Marchant im Fort. Sie ging hinüber zum Schreibtisch. Ihr war durchaus bewusst, dass sie ihn vielleicht nie wiedersehen würde. Falls Fielding ihn freigegeben hatte, konnten die Amerikaner ihn jahrelang festhalten.
Ihr traten Tränen in die Augen. Sie beugte sich vor, legte das Foto flach auf den Tisch und schlich aus der Wohnung.

15

    Einen Augenblick lang war Marchant nicht sicher, ob die Explosion möglicherweise Teil des Verhörs war. Sein Gesicht war gerade mit Frischhaltefolie eingewickelt worden, und zwar so stramm, dass seine Nase zur Seite gebogen wurde. Dann hörte er einen lauten Knall links von sich, darauf folgte Geschrei auf Polnisch. Er konnte nichts sehen, weil er wieder die abgedunkelte Schwimmbrille trug, aber er hörte, wie die Amerikaner stöhnten. Im nächsten Moment wurde er vom Tisch losgebunden, die Handschellen wurden mit Bolzenschneidern durchgekniffen, und jemand zog ihm die Frischhaltefolie vom Gesicht.
    Er zählte sechs Männer mit Gasmasken, Armeeuniformen und halb automatischen Waffen. Einer von ihnen legte Marchant eine Gasmaske an, gerade als er den scharfen Geruch von Tränengas wahrnahm. Dann wurde er aus dem Gebäude und in den Laderaum eines schwarzen Kleinlasters geführt.
    »Hugo Prentice«, sagte ein Mann mit wettergegerbtem Gesicht, der ihm gegenübersaß. »Dienststelle Warschau. Ich habe mit Ihrem Vater in Delhi zusammengearbeitet. Fielding lässt grüßen und bittet um Entschuldigung für die unsanften Streicheleinheiten.«

     
    Fielding sah auf die Uhr, rechnete eine Stunde für Polen hinzu und fragte sich, wie lange es dauern würde, bis Spiro ihn anrief. Eine halbe Stunde gebe ich ihm, dachte er und betrachtete die Akten, die auf seinem Schreibtisch ausgebreitet waren. Die Personalabteilung hatte die letzten Einsatzprofile von Leila, Daniel und Stephen Marchant ausgedruckt, und er hatte auch das Dossier über Salim Dhar von der Sektion Südasien angefordert. Er blickte auf die erste Seite mit dem Stempel »Vertraulich, nur für britische Staatsangehörige« und dachte nicht zum ersten Mal, dass er etwas vermisste, nämlich irgendeine Information, die Dhar mit seinem Vorgänger im Chefsessel vom MI6 in Verbindung brachte. Warum hatte Stephen Marchant einen Flug über achttausend Kilometer nach Südindien auf sich genommen, nur um Dhar einen Besuch abzustatten?
    Laut Akte war Dhar als Jaishankar Menon am 12. November 1980 als Sohn eines Hindu-Paares in Delhi geboren worden. Sein Vater arbeitete als Verwaltungsbeamter für das britische Hochkommissariat. Kurz vor Dhars Geburt wurde sein Vertrag beendet, doch er fand bald eine ähnliche Stelle in der amerikanischen Botschaft. Später besuchte Dhar die amerikanische Schule in Delhi - neben dem Eintrag hatte jemand eine handschriftliche Notiz gemacht »Vergünstigung wegen Anstellung?« und weiter unten »Außenseiter?«. Dhar hatte die Schule mit sechzehn verlassen.
    Das nächste Mal wurde er auffällig, als er zwei Jahre später in Kaschmir festgenommen wurde, weil er versucht hatte, eine Armeebasis in die Luft zu sprengen. In der Anklageschrift wurde er »Salim Dhar« genannt. Irgendwo
zwischen Bangalore und Srinagar musste er zum Islam konvertiert und radikalisiert worden sein. Seinen ganzen Hass auf den Westen hatte er auf Amerika gelenkt.
    Zu diesem Zeitpunkt hatte der Research and Analysis Wing, der indische Auslandsgeheimdienst, kurz RAW, versucht, ihn zu rekrutieren, da man die Chance sah, ihn gegen die Separatistenbewegung in Kaschmir einzusetzen. Doch Dhar wollte sich darauf nicht einlassen. In einem anderen Bericht vom RAW, der zu Bancrofts Ermittlung gegen Stephen Marchant gehörte, wurde erklärt, Salim Dhar sei »nicht zu überzeugen« und für eine Rekrutierung »nicht geeignet« gewesen. Sein Engagement für die Errichtung eines islamischen Kalifats, die mit der Wiedervereinigung Kaschmirs beginnen und in der Vernichtung Amerikas ihren Höhepunkt finden sollte, kannte keine Grenzen. Ein Jahr später floh er aus dem Gefängnis, tauchte in Pakistan unter und schließlich in Afghanistan wieder auf.
    Eine Sache stach Fielding ins Auge: In seinem psychologischen Profil wurde dem schlechten Verhältnis zum Vater viel Aufmerksamkeit gewidmet, weil der, anders als der Sohn, alles guthieß, was mit Amerika zu tun hatte,

Weitere Kostenlose Bücher