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Der Marathon-Killer: Thriller

Titel: Der Marathon-Killer: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Stock , Andreas Helweg
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und zudem hoffte, eines Tages nach New York auszuwandern. Das wurde als möglicher Grund dafür herangezogen, dass Dhar die Schule und Delhi verlassen hatte. Falls Stephen Marchant versucht hatte, Dhar zu rekrutieren, aus welchem Grund auch immer, hatte er möglicherweise Informationen über Dhars Vater besessen. Das war der einzige Ansatzpunkt, den Fielding in der Akte entdecken konnte. Salim Dhar schien ein ordentliches Leben geführt zu haben, seine Konflikte mit dem Gesetz waren sämtlich
aus ideologischen Gründen entstanden, es lag nichts Handfesteres gegen ihn vor, wie Frauen, Alkohol, Diebstahl oder Korruption - es gab nichts, womit man ihn hätte erpressen können.
    Wenn Fielding sich richtig erinnerte, hatte Stephen Marchant seine Dienstzeit in Delhi in den späten Siebzigerjahren begonnen, während Jimmy Carter im Weißen Haus saß. Damals, einige Jahre nach der Operation »Smiling Buddha«, Indiens erstem Atomtest, hatte Marchant sich einen Namen gemacht. Es gab nur wenige Leute bei den britischen Geheimdiensten, denen er nicht bekannt war. Das lag unter anderem an seiner dreisten Rekrutierung eines ranghohen Mitarbeiters der russischen Botschaft in Delhi, der innerhalb des KGB weiter aufstieg, als er nach Moskau an den Dscherschinski-Platz zurückkehrte, allerdings auch an der Familientragödie, die sich dort zugetragen hatte.
    Fielding schlug Marchants Akte erneut auf und schaute sich die verschiedenen Posten an. Wie vermutet war Marchant im August 1977 als Agent nach Indien gekommen und im Juli 1980 wegen der Geburt seiner Zwillinge nach Großbritannien zurückgekehrt. (Die Schwangerschaft seiner Frau hatte einen schweren Verlauf genommen, die meiste Zeit hatten sie in London verbracht, um der drückenden Hitze in Delhi zu entgehen.) Aber fünf Jahre später war Marchant zusammen mit der jungen Familie wieder in Indien, diesmal als Leiter der Dienststelle. 1988 schließlich war die Katastrophe passiert: Sebastian kam bei einem Autounfall ums Leben.
    Fielding erinnerte sich jetzt wieder genauer. Allen Kollegen beim MI6 war Marchants Verlust sehr nahe gegangen.
In der Folge hatte seine Frau unter starken psychischen Problemen gelitten, und dennoch hatte er sich geweigert, Delhi vor dem Ende seiner regulären Dienstzeit zu verlassen.
    Fielding wandte sich wieder Dhars Jugend zu und überprüfte den Zeitraum, in dem der Vater beim britischen Hochkommissariat in Delhi beschäftigt gewesen war. Er hatte im Januar 1980 angefangen, dementsprechend waren Marchant und Dhars Vater ein halbes Jahr zusammen dort gewesen. Die Gesandtschaft in Delhi war groß, nur die britische Botschaft in Washington übertraf sie an Größe, aber natürlich bestand die Möglichkeit, dass die beiden in Kontakt gekommen waren. Das half Fielding nicht viel weiter, war jedoch immerhin ein Anfang. Er nahm den Telefonhörer zur Hand und ließ sich mit Ian Denton verbinden.

16

    Nach einer halsbrecherischen Fahrt hundertfünfzig Kilometer durch die polnische Provinz saß Marchant schließlich mit einem Glas Tyskie-Bier in der Hand an der Bar der brandneuen britischen Botschaft in Warschau. Den größten Teil der Fahrt hatte er nicht sprechen können, sondern nur immer wieder Wasser erbrochen, die Schlaglöcher der Straßen hatten ein Übriges getan. Mehrmals war er eingedöst, doch Prentice’ Erklärung, das Verhör habe in Stare Kiejkuty stattgefunden, einem früheren Außenposten des SS-Geheimdienstes während des Zweiten Weltkriegs, war ihm nicht entgangen.
    Fünfzehn Minuten vom Flughafen Szymany entfernt, war die Einrichtung später von der Sowjetarmee genutzt worden, als Breschnew die Zerschlagung des Prager Frühlings plante. In jüngerer Zeit hatte eine geheime Abteilung des Wojskove Służby Informacyjne, des polnischen militärischen Nachrichtendienstes, sich dort breitgemacht und der CIA nur allzu gern einen sicheren Ort für Verhöre »besonders wichtiger« Gefangener bereitgestellt - nicht ohne die entsprechende Bezahlung, versteht sich. Das war eine kluge, wenn auch ironische Wahl der Amerikaner, hatte Prentice erklärt. Der WSI wurde von der Öffentlichkeit nicht so aufmerksam im Auge behalten wie der neue
zivile Geheimdienst, die Agencja Wywiadu, und die WSI-Beamten, von denen viele noch aus der kommunistischen Ära stammten, konnten sich aufgrund ihres militärischen Status auf den Schutz der NATO berufen.
    »Sie befinden sich in bester Gesellschaft - Stare Kiejkuty kann sich mit einigen prominenten Insassen brüsten«,

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