Der Marathon-Killer: Thriller
hatte Prentice weiter ausgeführt. »Dort haben sie 2003 auch KSM getunkt.«
Die feuchte Zelle, in der Marchant dem Waterboarding unterzogen worden war, stellte einen harten Kontrast zu der luftigen Stahl-Glas-Konstruktion dar, in der er nun saß. Er wusste, das schicke Gebäude war der Prototyp der britischen Botschaften der Zukunft. Nach der Bombe auf das Konsulat in Istanbul hatte man die Pläne überarbeitet, und jetzt war es der Öffentlichkeit zugänglich, konnte aber trotzdem einen größeren Terroranschlag überstehen. Zudem besaß es ein Sicherheitsmerkmal, das bei allen neuen Gebäuden des Außenministeriums verlangt wurde. Im Falle eines Angriffs sollte eine zwiebelartige Anordnung von Türen und Mauern das Allerheiligste zumindest vierzig Minuten lang schützen, damit Zeit blieb, alle sensiblen Dokumente durch den Reißwolf zu jagen und die Festplatten zu löschen.
Die Bar war leer, abgesehen von Marchant und Prentice sowie zwei einheimischen Botschaftsangehörigen. Die wussten nicht recht, was sie von dem Gast halten sollten, der so seltsam durch die Nase sprach und eine große mit Wasser vollgesogene Erwachsenenwindel im Mülleimer seines Gästezimmers hinterlassen hatte.
»Kommen Sie, wir müssen uns in Ruhe unterhalten«, sagte Prentice und drückte seine Zigarette aus. Marchant
folgte ihm durch den Eingangsbereich der Botschaft und weiter durch einige in makellosem Weiß gehaltene Flure. »Das Gebäude ist gerade erst abgesucht worden, aber wir setzen uns trotzdem besser in einen abhörsicheren Raum«, schlug Prentice vor. Einen solchen gab es in jeder Botschaft, ein Gesprächszimmer, dessen Wände unter dem Putz mit Blei ausgekleidet waren, das selbst die besten Wanzen nicht überwinden konnten. Marchant hatte in den vergangenen Jahren viel Zeit in solchen Räumen verbracht, und manche waren ziemlich schlicht eingerichtet. Dieser hingegen mit den weißen Wänden und den eingelassenen Leuchten erschien ihm wie die Kreuzung zwischen dem Tresorraum einer Schweizer Bank und einer Arztpraxis in der Harley Street.
»Wir alle sind immer noch erschüttert wegen Ihres Vaters«, sagte Prentice und deutete auf einen von zwei Stühlen, die sich an einem rechteckigen Glastisch gegenüberstanden. In einer Vase auf dem Tisch stand ein Strauß Blumen, ein klares Anzeichen dafür, dass Waterboarding hier nicht auf der Tagesordnung stand. Prentice schloss die schwere Tür hinter sich und tippte einen Zahlencode in die Tastatur neben der Klinke, um weitere elektronische Schutzmaßnahmen zu aktivieren. »In Warschau heißt es, die Amerikaner stecken dahinter. Armstrong hätte sich ohne ihre Unterstützung niemals durchsetzen können.«
»Das klingt durchaus glaubhaft«, sagte Marchant und bemerkte den nasalen Ton seiner Stimme. Trotz der Blumen wirkten der Tisch und die beiden Stühle ausgesprochen kühl und funktional.
»Sie können sich unsere Freude vorstellen, als der Anruf aus London kam«, meinte Prentice.
»Und die Polen waren bestimmt auch ganz aus dem Häuschen, oder?«
»Die neue Regierung lehnt solche Überstellungen ab und wartet nur auf einen Vorwand, seit sie ihre Truppen aus dem Irak zurückgezogen hat. Stare Kiejkuty wird vom WSI geführt, von kommunistischen Hardlinern, die wissen, dass ihre Zeit abgelaufen ist, und die dankbar waren für die Dollars. Was kann die CIA schon tun? Sich bei den Vereinten Nationen beschweren, weil eins ihrer Geheimgefängnisse überfallen wurde? Es hätte schon vor Monaten geschlossen werden sollen.«
Marchant schätzte Prentice auf Ende fünfzig. Es in seinem Alter zum Leiter der Dienststelle in Polen gebracht zu haben, war nicht gerade eine steile Karriere zu nennen, doch Marchant hatte von Hugo Prentice gehört. In den Siebzigern war er in Eton vom College geflogen, weil er Haschisch an die Mitschüler verkauft hatte. Er hatte ein verwegenes Aussehen, sein volles graues Haar war lässig zurückgekämmt, die Manschettenknöpfe aus Platin und die Patek-Philippe-Uhr zeugten von erlesenem Geschmack.
Er gehörte nicht zu den Karrieretypen, die es auf Beförderungen abgesehen haben, sondern zu den seltenen Vögeln, die beim Geheimdienst angefangen hatten, weil sie das Leben als Spion liebten; zu jenen Leuten, denen es Spaß machte, andere auf ihre Seite zu ziehen, die Zauderer überzeugen konnten, zum Besten aller zu handeln, und zwar mit der traditionellen Mischung aus Ideologie, Lügen und - wenn auch nicht notwendigerweise immer - Brutalität. Für Prentice ging
Weitere Kostenlose Bücher