Der Marathon-Killer: Thriller
des Außenministeriums gefunden. Anscheinend erfolgte die erste Zahlung, kurz nachdem Dhars Vater vom britischen Hochkommissariat entlassen wurde. Es gab eine kurze disziplinarische Anhörung, bei der verschiedene Stellungnahmen verlesen wurden, unter anderem auch eine von Marchant. Er hat sich stark für ihn
eingesetzt, weil er glaubte, der Mann sei schlecht behandelt worden.«
»So stark, dass er ihn mit einer anständigen Rente versorgt hat.« Fielding schob seinen Stuhl nach hinten in Richtung der großen Erkerfenster, durch die man auf die Themse und die Tate Gallery sehen konnte. Denton blieb stehen. »Das passt nicht zusammen. Ein rangniedriger Verwaltungsangestellter des Hochkommissariats - ein anständiger Mann, dessen bin ich sicher, aber nicht gerade ein hochkarätiger Spion. Gibt es Aufzeichnungen darüber, dass er dem Service Informationen geliefert hat?«
»Bislang nicht. Die monatliche Zahlung entsprach eigentlich auch nur dem Unterschied zwischen dem Gehalt vom Kommissariat und dem neuen bei der US-Botschaft.«
»Sehr fair. Nur hatte Marchant nicht die Befugnis dazu. Auch damals nicht.«
»Den Buchprüfern ist nie etwas aufgefallen.«
»Er hat immer gewusst, wie er mit den Erbsenzählern umgehen muss. Werden diese Zahlungen immer noch geleistet?«
»Nein. Sie haben 2001 aufgehört.«
»Warum zu dem Zeitpunkt?«
Denton schüttelte den Kopf. »Wir wissen es noch nicht. Aber da ist noch eine Sache. Wir haben eine zweite Zahlung gefunden, die Marchant beantragt hat, nachdem er Indien verlassen hatte. Für seinen Fahrer, einen Ramachandran Nair. Der hat vom gleichen Konto eine Pension in Höhe von fünfzig Pfund pro Monat erhalten.«
»Und die zahlen wir ihm immer noch?«
»Scheint so, ja.«
»Großer Gott, kein Wunder, dass wir ständig unseren Etat überziehen. Kümmern Sie sich um die Angelegenheit, Ian. Ich muss wissen, warum Marchant Dhars Vater bezahlt hat. Was hat der Mann für ihn getan?«
19
Hassan war der einzige Informant, mit dem Leila je geschlafen hatte. Für gewöhnlich war das nicht ihr Stil, aber er war wenigstens jung und sah gut aus. Die meisten Quellen wurden mit Geld bezahlt, aber Hassan bildete eine Ausnahme, seit er ihr genug Informationen geliefert hatte, um einen Anschlag auf ein Passagierflugzeug über Heathrow zu vereiteln. Danach durfte er seinen Preis selbst bestimmen, und in seinem Fall handelte es sich um harten Sex statt harter Währung.
Laut Fielding deuteten Gerüchte in den Geheimdiensten darauf hin, dass es eine Verbindung zwischen der Golfregion und dem vereitelten Anschlag auf den Marathon gab. Jetzt sollten alle verfügbaren Informanten diesbezüglich ausgefragt werden. Hassan wusste mehr über die Vorgänge am Golf als jeder Analyst in Whitehall. Dank seiner Verbindung zu den Wahhabiten, einer konservativen Richtung des sunnitischen Islams, verfügte er über Quellen, die ihn stets über das komplexe Terrornetzwerk der Region auf dem Laufenden hielten. Angeblich war er ein Reisejournalist, der für eine der vielen englischsprachigen Zeitungen in Katar schrieb, doch er brauchte das Einkommen nicht. Seine Familie besaß ein Vermögen, das sogar den Jahresetat des MI6 überstieg. Deshalb
schlug er Leila vor, das Media-Awards-Dinner früher zu verlassen und ihr erstes Heimspiel zu starten.
»Bisher hast du nur auswärts gespielt«, sagte er und schenkte ihr Mineralwasser nach. Das Dinner im Ballsaal des London Hilton war eine alkoholfreie Veranstaltung, und der Trupp westlicher Journalisten pilgerte unaufhörlich an die Hotelbars. Es war auch in anderer Hinsicht eine trockene Angelegenheit. Es fand kaum ein interkultureller Austausch statt, obwohl das Thema des Abends die globale Einheit sein sollte, und daran änderten auch die Bemühungen der Moderatorin nichts, einer schlagfertigen Komikerin, halb Iranerin, halb Britin. (»Immer, wenn ich irgendwem erzähle, dass meine biologische Uhr tickt, gehen die Leute in Deckung.«)
Leila hatte sie eigentlich suchen und ihr sagen wollen, wie sehr ihr der Auftritt gefallen hatte, aber auch Leila spielte nur eine Rolle. Heute war sie unterwegs als eine in der Golfregion tätige Tourismus-PR-Managerin, eine der Tarnungen, die sie regelmäßig verwendete. Zum ersten Mal war sie jedoch auf britischem Boden in diese Rolle geschlüpft und deswegen nervöser als sonst.
»Ich habe hier ein Zimmer reserviert«, sagte Leila und kämpfte mit dem plötzlichen Drang, sich den Journalisten an der Bar anzuschließen. Für
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