Der Marathon-Killer: Thriller
sie zu der wankelmütigen Sorte gehörten. Und deshalb hatte Leila, sobald Hassans anfängliche Schmerzensschreie verebbt waren, das noch weiche Wachs um ihn geknetet. Nachdem es gehärtet war, hatte sie es vorsichtig abgezogen und mit Wasser gefüllt. Das Wasser war inzwischen gefroren und stand aufrecht neben einer Tüte Erbsen. Sie zog das Wachs ab, betrachtete ihr Werk zufrieden und kehrte zu Hassan ins Schlafzimmer zurück.
»Dreh dich um«, sagte sie und löste seine Handfesseln. Es war Zeit herauszufinden, was er über den Marathon wusste.
20
Spiro mochte die CIA-Niederlassung in Warschau nicht. Er mochte den Kaffee nicht und auch nicht diesen entsetzlichen Siebzigerjahre-Bau der Botschaft, in dem die Agency untergebracht war (eine Meinung, die zusätzlich bestärkt wurde, als sie an dem modernen Glaspalast der britischen Botschaft vorbeifuhren), aber am wenigsten mochte er den Leiter der Dienststelle. Eigentlich hätte Alan Carter schon vor Jahren entlassen werden müssen. Er hatte damals nach dem 11. September die Überstellungsflüge nach Stare Kiejkuty vermasselt, ein Programm, das aus der engen Zusammenarbeit zwischen CIA und WSI entstanden war. Dessen Basis war absolute Geheimhaltung, und trotzdem hatte die Öffentlichkeit davon erfahren, und Spiro sah die Schuld dafür bei Carter.
Jetzt hatte er wieder Mist gebaut. Marchants Befreiung drohte eine trilaterale diplomatische Krise zwischen Polen, Amerika und Großbritannien auszulösen. Der neue polnische Premierminister war bereits informiert und behauptete, es handele sich um eine Personenverwechslung. Sein Amt hatte Berichte über die Anwesenheit eines westlichen Staatsbürgers an dem abgelegenen Flughafen erhalten und ein Sondereinsatzkommando geschickt, das sich die Sache ansehen sollte. Als die Polen unter Beschuss gerieten, hatten
sie das Feuer erwidert, und der Gefangene war entkommen. Solchen Schwachsinn hatte Spiro noch nie gehört, aber er konnte nichts dagegen tun. Seine Verbündeten beim WSI verloren immer mehr an Macht, und im diplomatischen Protokoll war nichts vorgesehen für eine Beschwerde wegen eines Überfalls auf ein Geheimprojekt wie Stare Kiejkuty, das zudem schon längst hätte geschlossen sein sollen.
Spiro betrachtete die Reihe von Bildschirmen in dem dämmrigen Raum im hinteren Teil der US-Botschaft, und eine Gruppe von fünf rangniedrigen Beamten zog die Köpfe ein, als er sein Missfallen kundtat.
»Wird der Flughafen überwacht?«, schnauzte er Carter an.
»Wir haben uns in die Überwachungskameras der Einreisebehörde eingeklinkt«, antwortete Carter. »Wenn er einen Pass hat, werden wir ihn entdecken.«
»Und die britische Botschaft?«
»Daran arbeiten wir noch. Das Gebäude ist sehr gut gesichert.«
Was man von diesem Laden nicht behaupten kann, dachte Spiro.
»Außerdem sind wir live am Bahnhof dabei und in den meisten Kaufhäusern der Stadt«, sagte ein anderer Beamter.
»Was haben wir von ihm?«, fragte Spiro.
Ein Foto von Marchant und Pradeep, die beim Marathon Seite an Seite liefen, wurde auf die Wand vor den Computern projiziert. Im Vordergrund war deutlich Turner Munroe, der US-Botschafter, zu erkennen.
»Die waren schon nah dran«, sagte Spiro. »Zu nah.«
»Sir«, fragte einer der jüngeren Beamten zögerlich und suchte mit einem Blick bei Carter nach Unterstützung. »Sollte London uns in diesem Fall nicht helfen?«
»Lassen Sie die aus dem Spiel«, fauchte Spiro. »Wir erledigen das im Alleingang, mehr müssen Sie nicht wissen.« Er wandte sich an Carter. »Wohin könnte Marchant sich absetzen? Nach Krakau? Zur Grenze? Warum sind wir so sicher, dass er in der Stadt ist?«
»Wir haben einen Informanten in einem Dorf sechs Kilometer südlich von Stare Kiejkuty. Er sagt, ein nicht gekennzeichneter Militärtransporter sei gegen fünfzehn Uhr über die Hauptstraße durch das Dorf gefahren, in Richtung Warschau. Unsere Jungs auf dem Luftwaffenstützpunkt haben um zwanzig Uhr gestern Abend Alarm geschlagen, ungefähr fünf Stunden nachdem Marchant befreit wurde.«
»Fünf verdammte Stunden später? Was haben die gemacht? Ringelpiez im Waterboardingpool?«
»Sir, sie wurden von den Polen betäubt, gefesselt und geknebelt - das waren Soldaten von der GROM, der polnischen Eliteeinheit. Es ist nur der hervorragenden Ausbildung unserer Leute zu verdanken, dass sie sich befreien konnten.«
»Ach, ja? Dann ist es wohl Ihrer hervorragenden Ausbildung zu verdanken, dass wir keine Ahnung haben, wo Marchant
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