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Der Marathon-Killer: Thriller

Titel: Der Marathon-Killer: Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Stock , Andreas Helweg
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geschickt. Die war zwei Jahre zuvor Witwe geworden und lebte seit fünfundzwanzig Jahren in Großbritannien, seit sie zu Zeiten der Revolution ihre Stelle als Universitätsdozentin in Teheran aufgegeben hatte und aus dem Land geflohen war. Sie gehörte der Bahai-Religionsgemeinschaft an, war auch in England fromm geblieben und hatte sich einer kleinen Gemeinde angeschlossen.
    Der anschließende Bericht der erweiterten Sicherheitsüberprüfung
äußerte keine Bedenken und beschrieb Leilas Mutter als vollintegriertes Mitglied der britischen Gesellschaft. Zusammen mit anderen Bahai, die den Iran verlassen hatten und in England lebten, lehnte sie das Regime in Teheran strikt ab, trat jedoch innerhalb der Exilgemeinde nicht weiter hervor. Bezeichnenderweise war sie nicht an den verschiedenen politischen Aktionen weltweit beteiligt, bei denen religiöse Freiheit für den Iran gefordert wurde.
    Zwei Monate ehe Leila ihre Ausbildung im Fort begann, wurde ihre Mutter ein zweites Mal befragt. Sie wohnte noch an der gleichen Adresse, aber es wurde darüber geredet, dass sie in ein Pflegeheim in Harpenden ziehen wolle. In dem Gespräch kam nichts Bedenkliches zutage, und in einer handschriftlichen Anmerkung zu dem Bericht wurde vorgeschlagen, von weiteren Befragungen abzusehen, falls sie nicht unerlässlich wären. Vieles von dem, was die Mutter gesagt hatte, wirkte verworren, und man hatte daraus geschlossen, dass sie erste Anzeichen von Alzheimer zeigte.
    Was Fielding beunruhigte, war die Tatsache, dass der Umzug der Mutter in den Iran, der kurz nach dem letzten Gespräch stattgefunden haben musste, den zuständigen Beamten vollständig entgangen war. Soweit es die Prüfer betraf, lebte sie immer noch in Hertfordshire. Es wäre Leilas Pflicht gewesen, den MI6 über jegliche Veränderungen innerhalb ihrer Familie zu informieren, insbesondere angesichts des kritischen Verhältnisses zwischen dem Westen und dem Iran. Doch sie hatte sich eindeutig dafür entschieden, kein Sterbenswörtchen darüber verlauten zu lassen. Innerhalb von Whitehall war bereits angemahnt worden, dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung dem Einzelnen
zu viel Spielraum ließ, indem sie ihm die Verantwortung für die Mitteilung solcher Veränderungen übertrug, aber die grundsätzlichen Fehler des Systems waren zuvor nie so deutlich ans Licht getreten.
    Fielding versuchte, die Angelegenheit mit Nachsicht zu betrachten. Wenn Leila die Pläne ihrer Mutter im Voraus gekannt hätte, wäre sie dagegen eingeschritten, denn ihr wäre klar gewesen, dass sie sich damit erpressbar machte. Doch was konnte Leila noch tun, als die Mutter bereits im Iran war? Sie war ausgesprochen ehrgeizig, und ihre vielversprechende Karriere beim MI6 wäre beendet gewesen, ehe sie richtig angefangen hatte, wenn sie ihre Vorgesetzten informiert hätte.
    Fielding entschied, sie habe vielleicht keine Warnung erhalten, sondern nur einen Anruf von der Mutter, in dem sie erklärte, was sie getan hatte: Anstatt in ein Pflegeheim zu ziehen, war sie in den Iran zurückgeflogen. War die Verwirrung der Mutter beim letzten Gespräch nur ein Bluff gewesen? Nachdem die Mutter in den Iran gereist war, hatten sich Leilas ärgste Befürchtungen bewahrheitet. Ihre Mutter wurde schon bald ihres Glaubens wegen verfolgt, und der VEVAK klopfte in London an Leilas Tür, weil sie kurz davor stand, die Karriereleiter beim MI6 hinaufzuklettern.
    In den frühen Achtzigern waren im Iran zweihundert Bahai getötet worden, und viele Tausend wurden inhaftiert. In den letzten Jahren hatte die islamische Regierung erneut eine Kampagne geführt, um die Bahai aus dem Land zu vertreiben. Leila wurde vor eine schwierige Wahl gestellt: Entweder sie arbeitete für den VEVAK, oder ihre Mutter würde sterben. Sie wäre schließlich nicht die erste
und sicherlich nicht die letzte Bahai, die hingerichtet wurde.
    Einen kurzen Moment lang tat Leila ihm leid. Die Akte ließ auf eine enge Beziehung zwischen Mutter und Tochter schließen, die durch den Alkoholismus des Vaters zusätzlich gestärkt worden war. Gegen seine Exzesse, die vor allem Gewalttätigkeit gegen die Mutter, nicht aber gegen Leila beinhalteten (obwohl sich Vater und Tochter nicht sehr nahestanden), hatten sie sich solidarisiert. Einer Eintragung in der Akte zufolge war der Kontakt zum Vater ganz abgebrochen, nachdem Leila sich an der Universität von Oxford eingeschrieben hatte. Sie hatte dem Beamten bei der Überprüfung gesagt, dass ihre Tränen bei der

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