Der Marktmacher
ich. »Wir möchten, daß Sie sie freilassen.«
Francisco, der seit unserem Aufbruch von der Tankstelle geschwiegen hatte, glaubte noch immer, protestieren zu müssen.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich mit der Entführung nicht das Geringste zu tun habe! Ich kann nichts für das Mädchen tun. Geben Sie mir meinen Sohn zurück, und lassen Sie uns auf der Stelle gehen.«
»Oh, nein, Francisco«, sagte ich, bemüht, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Sie gehen jetzt dort hinauf und sagen den Männern, daß sie Isabel freilassen. Ihr Sohn bleibt hier. Sobald ich sehe, daß sie den Hügel herabkommt, schicken wir ihn ihr entgegen. Sie haben unser Wort darauf, daß die Polizei kein Wort von alledem erfahren wird. Sie und wer auch immer dort oben sein mag, brauchen keinerlei Konsequenzen zu fürchten.«
»Sie hören mir einfach nicht zu!« schrie Francisco. »Ich weiß überhaupt nichts von der Sache.«
Ich unterbrach ihn. »Irgendwie werden Sie sie schon dazu bringen, Isabel freizulassen. Ach ja, noch etwas. Sollte Isabel nicht binnen weniger Minuten auf dem Weg zu uns nach unten sein, verschwinden wir. Mit Ihrem Sohn.«
»Was haben Sie mit ihm vor?«
»Darüber wird Isabels Vater befinden, sobald er zurüc k i st. Ich glaube nicht, daß Sie ihm sehr sympathisch sind. Er wird wohl nicht viel Mitgefühl aufbringen. Gehen Sie jetzt!«
Ich stieß Francisco vorwärts in Richtung des Hauses.
Rasch stieg er mit weit ausholenden Armbewegungen zu beiden Seiten seines massigen Rückens den Hang empor. Als er das Haus erreichte, öffnete sich die Eingangstür, und er verschwand im Inneren.
Das war ein gutes Zeichen. Es bedeutete, daß, wer auch immer sich im Haus befand, Francisco kannte. Obwohl ich Franciscos Proteste nicht wirklich ernstgenommen hatte, war doch stets ein Rest von Zweifel geblieben, ob er wirklich etwas mit Isabels Entführung zu tun hatte oder ob wir womöglich einen entsetzlichen Fehler begingen.
Nelson zog Francisco filho aus dem Kofferraum und ließ ihn mitten auf dem Weg, mit dem Gesicht zum Bauer n haus, Aufstellung nehmen.
Wir warteten – Ronaldo, Nelson, ich und der verängstigte Junge.
Den beiden großen schwarzen Vögeln hatten sich ein paar weitere hinzugesellt. Vom Dorf kam ein Trecker herauf, bog aber in Richtung des ersten Hofes unter uns ab. Wir standen hier ziemlich exponiert, den Blicken der Einheimischen preisgegeben, und auch einer etwaigen Verstärkung schutzlos ausgeliefert, die die Entführer mögl i cherweise herbeirufen würden.
Ich ließ die Tür des Gebäudes nicht aus dem Auge. Die Bezeichnung »Bauernhaus« war eigentlich etwas zu hochgegriffen für das Gebäude. Kate traf die Sache wohl eher. Auf jedem der beiden Stockwerke konnten sich nicht mehr als ein oder zwei kleine Räume befinden. Die weiße Farbe war weitgehend abgeblättert und ließ den Mörtel darunter zum Vorschein kommen. Ich fragte mich, wie es wohl war, dort zwei Monate lang eingesperrt zu sein. Ein roter Pick-up stand neben dem Gebäude, wahrscheinlich das Fah r zeug, in dem Euclides sich versteckt hatte.
Meine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Es war nicht nur die vordergründige Angst um Isabel, obwohl die natürlich schlimm genug war. Es war auch der Umstand, daß ich nun nach so langer Zeit kurz davor war, sie wiede r zusehen. In welcher Verfassung würde sie sich nach so la n ger Gefangenschaft befinden? Würde sie körperlich unversehrt sein? Würde sie psychische Schäden davongetragen haben? Und wie war es mit mir? Was würde sie empfinden, wenn sie mich wiedersah? Würde es irgendeine Bedeutung für sie haben? Es war ein egoistischer Gedanke. Aber me i ne Angst rührte, wie ich erkannte, zum Teil daher, daß nach all den Anstrengungen, sie zu befreien, am Ende die große Enttäuschung auf mich warten könnte – die E r kenntnis, daß ich ihr nichts bedeutete.
Wo war sie? Ich blickte auf die Uhr. Die zehn Minuten waren um. Ein paar Minuten hatte Francisco gebraucht, um den Hügel zu erklimmen. Trotzdem hätte sie schon längst erschienen sein müssen.
Ich blickte Nelson an.
»Was halten Sie davon?«
Er blickte auf die Uhr. »Lassen wir ihnen noch ein bißchen Zeit. Vielleicht müssen sie sich erst mal einig werden. Zu lange dürfen wir hier aber nicht bleiben. Sonst bege g nen wir auf dem Weg nach unten dem Rest der Bande.«
Besorgt blickte ich den Weg hinunter nach São Jose. Der Verkehr war spärlich. Doch gelegentlich fuhr ein Auto he r auf oder hinunter. Niemand konnte
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