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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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die Bonusse und die Mitarbeiter-Trusts sind das Offenkundige. Wenn du in Schwierigkeiten steckst, hilft dir Ricardo, mit Geld, Kontakten oder sonstwie. Du schuldest ihm bereits fünftausend Pfund, bevor du überhaupt bei uns angefangen hast. Schon vergessen?«
    »Du hast recht. Aber irgendwie ist es bei Ricardo etwas anderes als bei Eduardo.«
    »Vielleicht. Sie sind sehr verschieden. Aber sie sind Brüder. Was du dem einen schuldest, schuldest du auch dem anderen.«
    »Ist ihr Verhältnis so eng?«
    »Worauf du dich verlassen kannst. Die meisten Latino s s ind Familienmenschen. Aber bei den beiden ist es mehr als das.« Wieder senkte Jamie die Stimme. Fast hätte man meinen können, er fände Gefallen an diesen konspira ti ven Klatschgeschichten. »Es sind ein paar ziemlich häßliche Gerüchte über Eduardo im Umlauf.«
    Interessiert beugte ich mich vor. »Tatsächlich?«
    »Ja. Anscheinend hat er mal jemanden umgebracht. Vom Balkon gestoßen. Als Student in Caracas. Sie haben sich um eine Frau gestritten. Ricardo hat es vertuscht, und Eduardo ist davongekommen.«
    Ich schauderte. »Ich kann mir gut vorstellen, daß er jemanden umbringt.«
    »Ich weiß, was du meinst. Er führt ein ziemlich flottes Leben. Mädchen, Drogen. Solche Sachen. Man munkelt, daß er Isabel gebumst hat.«
    »Eduardo?« Ich blickte zu Isabels Schreibtisch hinüber. Nur ihr Kopf war zu sehen, zur Seite geneigt, den Hörer ans Ohr gepreßt. »Ich hätte ihr mehr Geschmack zug e traut.«
    Jamie zuckte die Achseln. »Vermutlich wirkt er auf eine bestimmte Art von Frauen durchaus anziehend. Ich habe dich vor ihr gewarnt.«
    »Hast du.« Ich war enttäuscht. Das hätte ich von Isabel zwar nicht erwartet, aber da ich sie eigentlich nicht kannte, kaum ein Wort mit ihr gewechselt hatte, mußte ich mir eingestehen, daß ich keinen Grund hatte, enttäuscht zu sein. Eine im Entstehen begriffene Phantasie ging in die Brüche. Abgehakt, erstickt.
    »Aber Eduardo ist durchaus von Nutzen«, fuhr Jamie fort . » Er ist intelligent, verschlagen, und er versteht es, b e stimmte Dinge zu arrangieren.«
    »Was für Dinge?«
    »Dinge eben. Er erreicht es, daß wichtige Leute ihre Meinung in bestimmten Fragen ändern. Er kann Menschen beeinflussen.«
    »Bestechung?«
    »Ich glaube nicht, daß das so simpel ist«, meinte Jamie . » Ricardo ist sehr penibel, was Bestechung anbelangt. In unserm Markt mußt du entweder sauber sein oder jeden bestechen. Heute fährt man besser, wenn man als unb e stechlich gilt. Ansonsten ist das Risiko zu groß. Aber Ed u ardo hat so seine Methoden, und Ricardo ist wahrscheinlich ganz froh darüber, daß er sie nicht genauer kennt.«
    Ich beschloß, mich von Eduardo fernzuhalten, so gut es eben ging.
    Wieder blieb ich bis in den späten Abend hinein. Ich war in meine Lektüre vertieft: Marktforschungsberichte und Kopien aus der International Financing Review , dem Klatschblatt des Rentenmarktes. Außerdem hatte ich noch einen Stapel Unterlagen für das SFA-Examen durchzua r beiten, das ich ablegen mußte, bevor ich selbst Anleihen verkaufen durfte.
    Nach und nach begann sich der Börsensaal zu leeren. Um halb neun verabschiedete sich Jamie, um zu Kate zurückzukehren. Isabel trollte sich um neun und hinterließ einen Hauch von Moschus in der Luft, der meinen Pul s schlag einmal mehr beschleunigte. Um halb elf waren nur noch Ricardo und ich anwesend. Er legte den Hörer auf und trat an meinen Schreibtisch. Ich blickte von meinem Marktforschungsbericht auf und lächelte ihn nervös an.
    Er sah noch immer so frisch und alert aus wie bei der Morgenbesprechung, obwohl irgendwann im Laufe des T a ges der oberste Hemdknopf aufgegangen war und die Ä r mel einmal umgeschlagen worden waren. Er zündete sich eine Zigarette an. »Kaffee?«
    Weiß der Himmel, wieviel ich an diesem Tag schon getrunken hatte. Aber er war einfach gut. Ich nickte. »Ja, bi t te.«
    Er schlenderte davon, während ich mit einem etwas unbehaglichen Gefühl zurückblieb. Der Boß holte mir Kaffee. Hätte ich nicht an seiner Stelle gehen sollen? Wenig später stand er mit zwei Tassen vor mir.
    »Na, was halten Sie davon? Macht Spaß, nicht wahr?«
    »Ich hätte nie gedacht, daß die Sache so interessant sein könnte.«
    Ricardo lachte leise. »Sie haben gedacht, man schreit nur in ein paar Telefone.«
    »So ähnlich.«
    Er sah sich an, was ich gerade las – ein Bericht, der die Situation in Mexiko beleuchtete. »Was halten Sie davon?«
    »Gut geschrieben. Überzeugend.

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