Der Marktmacher
nun doch schwach geworden bin. Nächste Woche werde ich es ihm erzählen. Oder übernächste « Ich trank einen Schluck Wein. »Ich hä t te gern so eine Beziehung zu ihm wie Sie zu Ihrem Vater. Aber wir können nicht miteinander reden. Mein Vater hat überhaupt kein Verständnis für meine Art zu leben, meine Mutter wohl eher, aber sie hält lieber den Mund. Deshalb habe ich kapituliert.«
Einen Augenblick schwiegen wir. Ich beobachtete Isabel, wie sie geschickt das Fleisch ihres Fisches von den Gräten löste und sich dabei, in ihr kunstvolles Werk vertieft, auf die Unterlippe biß. Ihre Haut schimmerte seidig im Ke r zenlicht.
Schließlich ergriff sie das Wort. »Es tut mir leid, Nick, daß ich anfänglich ein wenig abweisend war. Das war nicht besonders nett von mir, aber es hatte nichts mit Ihnen zu tun. Ich hatte anfangs bei Dekker Ward ein bißchen Ä r ger mit den Männern dort gehabt und wollte eine Wiederh o lung vermeiden.«
»Verstehe.« Ich dachte an das, was mir Jamie über sie und Eduardo erzählt hatte. Wie konnte diese Frau etwas mit Eduardo gehabt haben?
»Wie mit Ihrem Freund Jamie, zum Beispiel.«
»Ach ja?«
»Ja. Ständig hat er versucht, mit mir auszugehen. Und zweimal ist er sehr deutlich geworden.«
»Das hat nichts zu bedeuten«, lachte ich. »Nur ein bißchen Flirt. Er ist glücklich verheiratet. Sie haben von ihm nichts zu befürchten.«
»Ich weiß nicht so recht. Ich bin Brasilianerin. Übers Flirten braucht man mir nichts erzählen. Ich spüre, wann ein Mann es nur zum Spaß versucht und wann er es ernst meint. Und glauben Sie mir, Ihr Freund Jamie meinte es ernst.«
Ich blickte sie ungläubig an. Sie mußte sich irren. »Nein. Er quatscht Frauen gern an. Will sich beweisen, daß er es noch kann. Das ist alles.«
»Ich glaube, Nick, es geht ihm um mehr als nur das Anquatschen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin sicher, daß Sie sich irren.«
»Okay. Er ist Ihr Freund. Sie kennen ihn besser. Ich bin nur froh, daß ich nicht seine Frau bin.«
Trotz meiner Proteste war es Isabel gelungen, Zweifel zu säen. Ich hatte nicht verstanden, was Jamie gegen sie hatte, als er mich vor ihr warnte. Hatte er sein Glück versucht und einen Korb bekommen? Das wäre sicherlich eine Erklärung. Aber Jamie war ein guter Freund und Kate ebe n falls. Ich wollte einfach nicht glauben, daß da irgen d welche Untreue im Spiel war. Und wenn ich dazu den Kopf in den Sand stecken mußte!
Isabel bemerkte meine Zweifel und meine Verärgerung. Sie legte ihre Hand auf meine. »Tut mir leid, ich hätte I h nen das nicht erzählen sollen. Es ist nur so, nach dieser Geschichte mit Marcelo, na ja …« Sie brach ab. »Da habe ich eben nicht mehr viel übrig für treulose Männer. Wahrscheinlich habe ich Jamie vorschnell verurteilt. Können Sie mir noch einmal verzeihen?«
Nichts lieber als das. »Schon geschehen.«
Zwanglos floß unsere Unterhaltung nun wieder dahin. Die Nacht war lau.
Kurz nach Mitternacht verließen wir das Restaurant und wandten uns dem Meer zu, das nur zwei Häuserblocks en t fernt lag. Wir überquerten die Straße, drängten uns durch die vielen Menschen auf der Promenade und gingen zum Wasser hinab. Der Strand lag eingetaucht in Flutlicht. Eine Mischung aus Fuß- und Volleyball fand dort statt. Die Geschicklichkeit der Spieler versetzte mich in Erstaunen. U n ablässig ging der Ball über das Netz hin und her, wobei auf jeder Seite drei Arten von Berührungen erlaubt waren – mit Kopf, Brust oder Füßen.
Schließlich erreichten wir das Wasser und beobachteten, wie sich der Schaum rhythmisch über den Sand ergoß un d d ie kleinen Salzwasserpfützen blendend weiß im Flutlicht erstrahlten. Wir zogen die Schuhe aus und gingen auf dem Streifen nassen Sandes entlang, so daß die stärksten und wagemutigsten Wellen unsere Füße umspülten. Auf der e i nen Seite lag das dunkle Meer, auf der anderen die Lichter und das geschäftige Treiben von Ipanema. Wir sprachen kein Wort. Über uns wölbte sich die südliche Nacht. En d los hätte ich mit Isabel an diesem Strand entlanggehen können.
Wir näherten uns einer Favela . Am Vortag hatte ich gesehen, wie sie sich über den Hang hinab zum Meer erstreckte. Jetzt muteten ihre vielen kleinen Lichter wie Glühwürmchen an. Hier war der Strand dunkler und stiller.
Plötzlich waren wir von dunklen Gestalten umringt, klein, mager und wendig. Ich hatte sie nicht kommen sehen. Vier waren es, glaube ich. Instinktiv versuchte ich, mich vor
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