Der Marktmacher
Isabel zu stellen, wurde daran aber durch ein langes, dünnes Messer gehindert, das nur wenige Zentimeter von meiner Brust entfernt war.
Ich blickte zu Isabel hinüber. Sie stand vollkommen ruhig. »Bewegen Sie sich nicht!« sagte sie überraschend ruhig . » Und geben Sie ihnen, was sie von Ihnen verlangen.«
Ein Junge von etwa vierzehn fuchtelte mit dem Messer vor meinem Gesicht herum und sagte etwas auf portugiesisch.
»Okay, okay«, sagte ich. Langsam griff ich in die Hosentasche und zog einige Geldscheine heraus. Es war ein hübsches Bündel. Zum Glück war ich Isabels Rat gefolgt und hatte die Brieftasche mit meinem Paß im Hotel gela s sen.
Der Junge schnappte sich das Geld. Isabel trug eine bill i ge Schultertasche, die sie ihm nun langsam reichte.
Ich begann mich zu entspannen. Sie hatten, was sie wol l ten. Jetzt würden sie uns laufenlassen.
Der Junge, der vor mir stand, stopfte sich die Scheine i n d ie Tasche, ließ mich dabei aber nicht aus den Augen. Er machte keine Anstalten, sich in Bewegung zu setzen, sondern blieb ruhig stehen. Halb so alt wie ich mochte er sein und war viel kleiner, aber er hatte ein Messer und konnte sicherlich damit umgehen.
Ich suchte den Blick seiner braunen Augen, aber sie wichen mir unruhig aus. Dann spannten sich seine schmalen Schultern, und ich wußte, was kam. Mein Versuch, mich abzuwenden, war viel zu langsam. Als das Messer aufblitzte, fühlte ich einen heißen, stechenden Schmerz in der Brust. Isabel schrie. Meine Hände fuhren zum Griff des Messers. Der Junge versuchte es herauszuziehen, aber ich umklammerte es. Ich wußte, auf keinen Fall durfte die Klinge aus meinem Körper gezogen werden. Meine Brust stand in Flammen. Das Atmen schmerzte, aber ich versuchte es trotzdem, mit kurzen, flachen Atemzügen, jeder eine Qual. Die Beine gaben unter mir nach, und ich sackte zu Boden, das Messer und den Jungen mit mir ziehend. Noch zweimal zerrte er an dem Messer, dann gab er auf und ließ mich in den Sand gleiten.
»Nick! Nick …« Isabels Stimme wurde von schwärzester Finsternis verschluckt.
ACHT
I ch hatte ein Einzelzimmer im Krankenhaus, und es war sauber. Dafür hatte Isabel gesorgt. Sie hatte einen guten Arzt aufgetrieben, der versichert hatte, daß die Stichwunde zwar tief, aber nicht lebensgefährlich sei. Die Waffe hatte das Herz verfehlt, aber die Lunge erwischt. Die innere Bl u tung hatte sich in Grenzen gehalten, weil das Messer nicht herausgezogen worden war. Auch war die Lunge nicht sonderlich in Mitleidenschaft gezogen worden und würde rasch heilen. Der Chirurg hatte mich sehr geschickt wieder zusammengenäht, so daß kaum eine Narbe zurüc k bleiben würde. Offenbar waren Rios Ärzte Experten im Umgang mit Nadel und Faden. Als ich aufwachte, hatte ich einen Schlauch im Rachen, der jedoch bald entfernt wurde. A l lerdings war das Atmen noch schmerzhaft. Der Arzt wollte mich noch zwei Tage im Krankenhaus behalten, um s i cherzugehen, daß keine Infektion auftrat, und um mir G e legenheit zu geben, mich vom Schock des Angriffs zu erh o len.
Das war auch nötig. Ich spürte einen dumpfen, hartnä ck igen Schmerz in der Brust, aber das war nicht das Pr o blem. Ich fühlte mich schwach und konnte keinen klaren Gedanken fassen. Mein Körper signalisierte mir, daß er Ruhe brauchte.
Isabel besuchte mich häufig. Ich hatte den Eindruck, daß sie im Hintergrund alles organisierte. Ein Polizeibeamter in Zivil suchte mich auf. Isabel übersetzte. Offenbar hatte sie ihm schon alle Informationen gegeben, über die sie verfü g te, und es gab wenig, was ich hinzufügen konnte. Si e s agte, die Polizei gehe sehr scharf gegen Einheimische vor, die Ausländer angriffen: Es sei schlecht für den Tourismus. Irgend jemand würde für das Verbrechen büßen müssen. Und nicht unbedingt die Jungen, die es begangen hatten. Die Gerechtigkeit der Polizei in Rio war nicht ohne Wil l kür.
Auch ihr Vater besuchte mich. Er mache sich Vorwürfe, sagte er, daß mir dies in Rio, seiner Stadt, zugestoßen sei. Zu wissen, daß sich Isabel und Luís um mich kümmerten, war ein tröstliches Gefühl. Die Vorstellung, mich allein, verwundet und ohne Portugiesischkenntnisse mit der Polizei und dem Krankenhaus auseinandersetzen zu müssen, erschien mir nicht gerade sehr verlockend.
Am Sonntag abend rief Ricardo an und wünschte mir gute Besserung. Er sagte, ich hätte Glück, daß ich mich in Isabels Obhut befände. Ich stimmte ihm zu.
Montag mittag wurde ich entlassen, erhielt
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