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Der Marktmacher

Der Marktmacher

Titel: Der Marktmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Cordelia hat schon Todesdrohungen beko m men. Man hat versucht, den Hort niederzubrennen.«
    »Aber sie wird nicht aufgeben«, sagte ich. Ich erinnerte mich an die Entschlossenheit, die ich in Cordelias Augen gesehen hatte.
    »Nein«, sagte Isabel. »Sie behauptet, niemand würde es wagen, sich an ihr zu vergreifen. Weil unser Vater so einflußreich ist und weil so oft in den Medien über sie berichtet wird, sagt sie, würden sich die Todesschwadronen ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie ihr etwas antun. Die Öffentlichkeit würde auf die Barrikaden gehen.«
    »Und hat sie recht?«
    Ich sah, daß Isabels Augenwinkel feucht wurden. »Ich bete darum. Aber irgendwann wird ein Polizist nach Feierabend zu der Auffassung kommen, daß es reicht mit ihr. Wäre sie nicht meine Schwester, würde ich sagen, daß sie Großartiges leistet, aber sie ist nun mal meine Schwester …« I sabel wischte sich die Augen.
    »Wäre sie meine Schwester, dann wäre ich sehr stolz auf sie«, sagte ich behutsam.
    Isabel sah mich einen Augenblick lang an und schenkte mir ein kleines Lächeln.
    »Übrigens, Isabel?«
    »Ja?«
    »Würden Sie heute abend mit mir essen gehen?«
    SIEBEN
    I ch wartete in der Hotelhalle auf Isabel. Sie trug wieder das einfache schwarze Kleid, das sie schon zwei Abende zuvor angehabt hatte, als sie mit ihren Freunden ausgegangen war. Dezent unterstrich es ihre geschmeidigen Bewegu n gen beim Gehen.
    »Lassen Sie uns am Strand etwas trinken«, sagte ich.
    »Sehr schön. Gehen Sie voran.«
    Die Avenida Atlântica war gesäumt mit Huren in knapp sitzenden Oberteilen und engen Shorts, die an parkenden Autos lehnten und auf Freier warteten. An einem der vielen Kioske, die entlang des Strandes standen, machten wir halt und bestellten zwei Bier.
    Wir setzten uns und betrachteten die Vorübergehenden. Etwas mühsam wechselten wir ein paar Worte. Ich war mir nicht sicher, ob Isabel schüchtern war, mir au s wich oder beides.
    Ein Junge von etwa vier Jahren blieb neben uns stehen und bot uns Kaugummi an. Er hatte ein zartes Gesicht und große, zutrauliche Augen. » Não, obrigado « , sagte ich und versuchte ihn loszuwerden, ohne Erfolg. Daraufhin richtete Isabel einige scharfe Worte auf portugiesisch an ihn. Wor t los wandte er sich ab und trat an den nächsten Tisch. Der Barmann kam hinter der Theke hervor und klatschte in die Hände, was den Jungen endgültig ve r scheuchte.
    Wir verfielen in Schweigen. Der Junge war in Olivers A l ter. Ich fragte mich, ob eines Tages ein Euclides aus ihm werden würde, ein Killer, der stolz auf seinen Beruf war.
    In diesem Augenblick erhob sich eine Frau mit aufgedunsenem Gesicht und wasserstoffblondem Haar, die am Tisch neben uns eine Caipirinha geschlürft hatte. Nach ein paar torkelnden Schritten erbrach sie sich in den Sand.
    »Gehen wir«, sagte Isabel. »Ich habe doch gewußt, warum mir Ipanema lieber ist als die Copacabana.«
    So landeten wir in einem Fischrestaurant gleich hinter dem Strand von Ipanema. Es war voller Menschen und fröhlichem Stimmengewirr und hatte eine Karte, auf der ich nur die Weinsorten verstand.
    »Ich mag Ihren Vater«, sagte ich. »Ein umgänglicher Mensch.«
    »Stimmt. Aber manchmal macht er mich verrückt.«
    »Wollten Sie schon immer Banker werden wie er?« fragte ich und goß ihr ein Glas Wein ein.
    Sie blickte mich an. Ihre großen, feucht schimmernden Augen musterten mich und schienen sich zu fragen, wieviel sie mir anvertrauen konnten. Ich hielt ihrem Blick stand, obwohl es schwierig war, einen gleichmütigen Ausdruck zu bewahren, statt sie dummdreist anzuglotzen.
    Dann bedachte sie mich wieder mit ihrem koketten Lächeln und erwiderte: »Nein. Während des Studiums hatte ich mit dem Bankwesen nichts am Hut. Banker war wir k lich das letzte, was ich werden wollte. Mich machte krank, was um mich herum geschah. Dieser Gegensatz zwischen Arm und Reich. Dagegen wollte ich was unternehmen. Die Axt anlegen, nicht nur an den Symptomen herumdo k tern wie Cordelia.« Sie redete jetzt ganz unbefangen und offen. »Sie wissen, wie das ist, wenn man zwanzig ist. Man denkt, wenn die Welt wüßte, was man selber weiß, dann wäre es viel besser um sie bestellt. Also hat man die Aufgabe, allen Menschen zu erklären, wie dumm sie sind.«
    »Ich weiß genau, wovon Sie reden«, sagte ich. »Ich war davon überzeugt, daß es ideal wäre, wenn der Staat die Wirtschaft im Interesse aller Menschen und nicht nur de r S tinkreichen regeln würde. Dann habe ich zwei Jahre in

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