Der Marktmacher
heiraten sollte, Marc e lo, mit einer Freundin von mir amüsierte, während ich in New York war.«
»Oh, je!«
»Ja. Oh, je. Also beschloß ich, meinen Weg im Bankgeschäft zu machen, im Beruf meines Vaters. Ich fing bei der Banco Evoluçào in São Paulo an. Aber in Brasilien ist es schwierig für eine Frau, als Banker anerkannt zu werden, besonders, wenn sie einen Vater wie den meinen hat. Daher bin ich vor drei Jahren zu Dekker Ward gegangen. Seither habe ich in Brasilien fünfzehn Emissionsmandate für die Firma geholt.«
»Nicht schlecht.«
»Es hört sich bestimmt schrecklich an«, sagte Isabel. »Ich bin weiß Gott keine radikale Feministin. Nur stolz. Und dickköpfig.«
»Und Sie ärgern Ihren Vater gern?«
Für einen Augenblick dachte ich, ich wäre zu weit gegangen. »Ich liebe ihn«, sagte sie abwehrend.
»Ich weiß. Das habe ich gesehen, als wir bei ihm waren. Und er betet Sie an. Vielleicht ist das der Grund für die kleinen Aufgeregtheiten zwischen Ihnen beiden.«
Isabel lächelte. »Stimmt genau. Der arme Papai. Er hat überhaupt keinen Einfluß mehr auf uns. Sicherlich wäre er glücklich, wenn wir mit vornehmem Müßiggang vorlieb nehmen würden wie die Töchter seiner Freunde. Haben Sie gehört, wie er mir eine Stellung in seiner Bank angeboten hat? ›Ich bin sicher, daß wir etwas finden werden. ‹ « Übe r trieben ahmte sie seine Sprechweise nach. »Sicher, Horizonte ist eine der erfolgreichsten Investmentbanken Brasiliens, aber Dekker Ward beherrscht ganz Lateinam e rika, und ich bin für Dekker Wards Brasiliengeschäft veran t wortlich. Und er glaubt, ich würde mich mit irgende i nem repräsentativen Posten für das Töchterchen des Chefs z u friedengeben!«
Ich beneidete Isabel um ihren Vater. Es war überdeutlich zu sehen, wie groß seine Zuneigung war. Zwar war er auch ein Banker, aber im Unterschied zu meinem Vater schien dieser Umstand bei Luís nicht alle anderen Interessen au s zuschließen. Natürlich nahm mich seine Liebe zur russ i schen Literatur für ihn ein, aber ich war sicher, daß Luís noch über eine Vielzahl anderer Themen sehr kenntnisreich hätte sprechen können, während sie bei meinem Vater nur einen leeren und uninteressierten Blick hervorgerufen hätten. Natürlich sucht man sich seine Eltern nicht aus, aber Isabel schien ihren Vater doch ein bißchen zu selbstverständlich hinzunehmen.
»Sie verstehen Ihr Geschäft wirklich gut«, sagte ich. »Die Favela -Geschichte hat mich sehr beeindruckt.«
Isabel errötete. »Danke.«
»Ich finde, es hat etwas Bestechendes, wie Sie eine Möglichkeit gefunden haben, internationales Kapital zur Lind e rung der Armut einzusetzen.«
»Noch wissen wir nicht, ob es funktioniert. Aber sicherlich ist es der befriedigendste Job, den ich bisher bei Dekke r W ard gemacht habe. Das ist allerdings die große Ausnahme. Warten Sie ab, bis Sie einen Konkurrenten übers Ohr hauen müssen, weil irgendeine Bank vor Ort nach e i nem Steuerschlupfloch sucht. Allzu lange werden Sie nicht warten müssen.«
»Lassen wir uns überraschen.«
Auf Isabels Vorschlag hatte ich einen Fisch bestellt, von dem ich noch nie gehört hatte und dessen Namen weder sie noch der Kellner übersetzen konnten.
»Meinen Vater haben Sie ja kennengelernt«, sagte sie . » Was ist mit Ihrem?«
»Leider ist er ganz anders als der Ihre«, sagte ich. »Zumindest scheint mir das so.«
»Und das heißt?«
»Nun, er hat bei einer alten englischen Brokerfirma gearbeitet. Einer Firma, wie Dekker Ward früher war, nehme ich an. Er hat mit Freunden gegessen, Kunden gute Tips gegeben und sich 1986, als die Firma von den Amerikanern aufgekauft wurde, in ein kleines Dorf in Norfolk z u rückgezogen. An der Ostküste.«
»Ich bin schon mal dagewesen«, sagte Isabel. »Eine kalte Ecke.«
»Wohl wahr.« Ich lächelte. »Er verbringt den ganzen Tag im Garten oder hinter der Zeitung. Ich glaube, zuerst hat er versucht, mit seinen Rücklagen zu spekulieren, aber als er den größten Teil verloren hatte, ließ er es sein. Ich habe es immer als schwierig empfunden, mit ihm zu reden. Mit t lerweile habe ich es aufgegeben.«
»Wie findet er es denn, daß Sie bei Dekker Ward angefangen haben?«
»Weiß ich nicht. Ich habe es ihm noch nicht erzählt.«
»Sie haben was?«
»Ich habe es ihm noch nicht erzählt. Schlimm, nicht? Dabei hat er sich immer gewünscht, daß ich in der City arbeite, und ich habe mich immer geweigert. Ich mag ihm einfac h n icht eingestehen, daß ich
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