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Der Marschenmörder

Der Marschenmörder

Titel: Der Marschenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Brorsen
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Frage, nickt Timm lebhaft: „Hans Christian Brandt aus Sankt Margarethen hat ihn erworben. Für 57   200 Taler.“
    Mohrdieck erkennt den Schachzug des Kollegen und hakt nach: „Ihr Gesamtvermögen?“
    „Das beläuft sich auf gut 120   000 Taler. Wenn ich den Schmuck und das Tafelsilber hinzuzähle. Und die Versicherung.“
    Auf seine Weise setzt Mohrdieck die Erörterung über Timms finanzielle Lage fort: „Da ist Ihnen also durch ein Verbrechen ein stattliches Vermögen zugefallen.“
    „Naja. Ich bin der Einzige, der übriggeblieben ist. Aber gern würd’ ich auf alles verzichten, wenn nur …“
    Unerbittlich stellt Mohrdieck fest: „Sie sind der Nutznießer einer unvorstellbaren Mordgeschichte. Da werden Sie einsehen, dass wir Ihr Verhalten zur Tatzeit genauestens überprüfen müssen.“
    Er blättert in den Akten. „Kommen wir zur Sache. Sie haben, nachdem Sie durch den Feuerschein erwacht sind, die Kassette gegriffen, die Ihr Vater Ihnen angeblich einige Tage zuvor anvertraut hatte. Haben sie aus dem Fenster geworfen und sind hinterhergesprungen.“
    Timm gerät ins Schwitzen. „Nein. Zwischendurch hab ich mich angezogen.“
    „Soso. Zwischendurch. Sehr sorgfältig, wie später bei Schwarzkopf festgestellt wurde. Und Sie haben nicht ein einziges Mal nach Ihren Eltern und Geschwistern geschaut oder gerufen?“
    „Das hab ich doch alles dem Herrn Doktor Rötger …“
    Unwirsch unterbricht Mohrdieck Timms Hinweis. „Sie springen also aus dem Fenster und bemerken vor der brennenden Scheune fünf oder sechs Männer. Greifen die Kassette und flüchten. Kaum zwanzig Meter an den Unbekannten vorbei. Aber die verfolgen Sie nicht, sondern lassen Sie mit der einzig nennenswerten Beute davonkommen?“
    „Ich war in Panik. Hatte fürchterliche Angst.“ Timm atmet heftig, legt die geballten Fäuste auf den Tisch.
    „Soso. In Panik.“ Mohrdiecks Augen blitzen. „Wenn Sie panische Angst gehabt hätten, wären Sie ins unversehrte Haus zurückgerannt, wo nach Ihrem damaligen Wissensstand Ihre Familie schlief. Ihr starker Vater und die kräftigen Brüder hätten Sie doch sicherlich beschützt vor einer Handvoll Räubern. Aber was tun Sie? Rennen um Ihr Leben und den Unbekannten fast in die Arme. Vergessen aber nicht die Kassette mit dem wertvollen Inhalt.“
    Timms Stimme wird weinerlich. „Ich bin weggerannt, weil die fremden Männer geschossen haben. Zweimal.“
    Böse lacht Mohrdieck auf. „Geschossen, als Sie bereits an Ihnen vorbei waren. Und Sie nicht getroffen. Auch nicht verfolgt. Was ein Leichtes gewesen wäre. Schließlich hinken Sie seit Ihrer Kindheit. Und die Kassette war ziemlich schwer.“
    Eingeengt fühlt Timm sich. Gepresst in einem Schraubstock, an dem der Oberrat langsam und quälend dreht. Wie gemütliche Kaffeekränzchen kommen ihm jetzt die Vernehmungen durch Rötger und Jacobsen vor. Und die Herren aus Glückstadt wie Wölfe, die ihn in die Enge treiben, um ihn anschließend zu zerfleischen.
    Mit grimmigem Vergnügen registriert Mohrdieck, dass der Thode die Contenance verliert und verzweifelt versucht, seine Haut zu retten. Selbstzufrieden stellt er fest, dass sein Konzept, sich einzig auf den Alleinerben zu konzentrieren, der Weg ist, der zur Lösung des Falles führen wird. Doch er zwingt sich, seinen Eifer zu bremsen, den Inculpanten in relativer Sicherheit zu wiegen und Härte nur zu zeigen, wenn er ihn bei einer erkennbaren Lüge ertappt.
    „Warum, glauben Sie, haben die Kerle Sie laufen lassen?“, fragt er mit möglichst sanfter Stimme. „Alle andern wurden umgebracht, der Hof praktisch eingeäschert. Und Sie lässt man laufen. Mit dem Kasten unterm Arm. Haben Sie sich darüber schon mal Gedanken gemacht?“
    Timm schöpft Hoffnung. So arg ist er scheinbar gar nicht, der Herr Oberrat aus Glückstadt. Glaubt ihm offenbar sogar die Räubergeschichte. „Nein. Das hab ich nicht. Das heißt, die erste Zeit schon. Da hat mich das gequält. Aber jetzt nicht mehr. Und ich will auch nicht mehr daran denken.“
    Sofort wird Mohrdiecks Ton schärfer. „Das sollten Sie aber. Sonst könnte es Ihnen schlecht ergehen.“
    Fieberhaft sucht Timm nach einem Ausweg. „Vielleicht haben sie mir nix getan, um mich in falschen Verdacht zu bringen. Das ist ihnen ja wohl auch gelungen.“
    Für den Bruchteil einer Sekunde treffen sich die Blicke der Ermittler. Auch Schütt hat aufgehorcht, Timms Fehler bemerkt. Und er konstatiert: Fiktive Identifizierung mit Tätern und Tat.
    Blitzschnell

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