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Der Marshal ist eine Lady

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Titel: Der Marshal ist eine Lady Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Slade
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Veranda.
    Harris erwachte aus seinem wonnigen Tagtraum.
    Jemand klopfte mit harter Faust. Undeutliches Gemurmel war zu hören. Zwei Männer. Klar, Jake Norrish und Paul Raker.
    »Herein mit euch!«, rief Harris erfreut. Er setzte sich auf, drehte sich erwartungsvoll zur Tür und hatte die Erinnerung an die Emily von früher bereits aus seinen Gedanken verscheucht.
    Jake Norrish trug seinen Stetson, als er eintrat. Er hielt den Kopf gesenkt und tippte zum Gruß an den vorderen Rand der breiten Krempe. Von seinem Gesicht war nur die untere Hälfte zu sehen, und auch diese lag im Schatten.
    Harris reagierte nicht gleich auf dieses merkwürdige Verhalten. Normalerweise wussten seine Leute, dass er Wert auf ein gutes Benehmen legte. Er runzelte die Stirn, als er bemerkte, dass der zweite Mann nicht Paul Raker war, sondern Hank Larsen, ein blonder Schwede, der mit Raker geritten war. Larsen hatte den Hut abgenommen wie es sich gehörte; auch er hielt den Kopf gesenkt, und er drehte den Hut an der Krempe zwischen den Fingern beider Hände.
    Harris registrierte, wie seine Stimmung umschlug, und er hasste dieses Gefühl.
    »Was sind das für Manieren?«, herrschte er Norrish an. »Nimm gefälligst den Hut ab!«
    Norrish, der den Schnauzbart nach seinem, Harris’, Vorbild getrimmt hatte, gehorchte widerstrebend – und offenbarte damit den Grund für sein schamvolles Verhalten. Nur zögernd hob er den Kopf ein wenig an.
    Harris glaubte, seinen Augen nicht zu trauen. Ruckartig trat er auf seinen engsten Vertrauten zu. Entgeistert starrte er ihn an. Die Schnittwunde in Norrishs Gesicht war nicht tief. Das Blut hatte sich schon verkrustet und bildete eine Linie von der rechten Seite der Stirn über den Nasenrücken und die linke Wange bis hinunter zum Kinn.
    »Was, zum Teufel, bedeutet das?«, stieß Harris hervor. »Woher hast du das?« Sein Blick flammte zu Larsen hinüber. »Und du? Weshalb bist du hier und nicht Raker? Verdammt noch mal, ich will Erklärungen von euch hören, und zwar schnell!«
    Abrupt wandte er sich ab, warf sich wütend in den Sessel und ließ die beiden Männer stehen, während sie stockend berichteten. Er selbst trank Rotwein und rauchte die Havanna weiter, nun jedoch ohne jeden Genuss. Mit jedem Satz, den er über die Niederlagen hörte, verfinsterte sich seine Miene weiter. Dann, nachdem er alles über die Verluste beim Überfall auf den Transport erfahren hatte, schickte er Larsen hinaus.
    »Lassiter«, sagte Harris kopfschüttelnd. »Was für ein Mistkerl ist das, dass er Dinge zustande bringt, die keiner vor ihm geschafft hat?«
    Norrish schwieg, doch Harris erwartete ohnehin keine Antwort von ihm.
    »Nun zu uns beiden«, sagte er gedehnt. »Du lässt dich von einer Frau fertigmachen. Kannst du mir mal sagen, was einem Mann Schlimmeres passieren kann?«
    »Nein«, antwortete Norrish dumpf, und er glich dabei einem Schuljungen, den der Lehrer beim Schummeln erwischt hatte.
    »Ist sie wirklich US Marshal? Ich meine, hast du dich vergewissert?«
    »Nicht nur ich.« Norrish hielt den Kopf nach wie vor gesenkt. »Ihren Dienstausweis zeigt sie überall herum.«
    »Dann ist sie wohl echt«, knurrte Harris. »Diese Weiber machen sich ja heutzutage überall breit. Hast du eine Ahnung, ob sie was mit diesem Lassiter zu tun hat?«
    »Nein.« Norrish schüttelte niedergeschlagen den Kopf.
    Sein Boss stieß eine bleigraue Wolke aus und entschied: »Dann werden wir sie fragen müssen.«
    ***
    Nachdem sie auf die Ranch zurückgekehrt waren, hatte Lassiter veranlasst, dass die Toten und der Gefangene mit einem starken Begleitkommando nach Sheridan gebracht und dort dem County Sheriff übergeben wurden.
    Der große Mann überquerte den Ranchhof und begab sich ins Haupthaus, um sein Versprechen einzulösen.
    »Es ist schon seltsam«, sagte er, als Louisa ihn im Kaminzimmer empfing. »Man gewöhnt sich an Dinge, die man öfter als zwei oder drei Mal tut, und denkt, das ist eine Garantie dafür, dass es immer so bleiben wird.«
    Louisa hatte ihn zuvor draußen begrüßt, als er gemeinsam mit den Männern auf der Ranch eingetroffen war. Er hatte von seinem Verdacht gegen Bruce Tabor nichts erwähnt, und sie hatte ihm zugeflüstert, dass sie ihn im Haus erwarten würde.
    »Für dein Empfinden gibt es einen einfachen aber zutreffenden Spruch«, erwiderte sie. »Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.«
    Lassiter schmunzelte. »Ich glaube, ich kenne mich selbst nicht mehr.«
    »Hast du eine Idee, warum du das

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