Der Maskenball
Gigolo?"
Entgeistert sah sie ihn an. Dann begriff sie. "O nein, ich habe nie angenommen ... Ich meine, ich wollte damit nicht sagen ..."
"Dass ich ein Mann bin, der sich für Geld verkauft?" ergänzte er scharf.
Darcy war so entsetzt über ihre Gedankenlosigkeit, dass sie unwillkürlich die Hand ausstreckte und über sein Revers strich.
"Luca ... ehrlich, das war doch nur Spaß ..."
"Haha", sagte er vernichtend. "Geben Sie mir die Wagenschlüssel."
"Die ...?"
"Sie haben zu viel Champagner getrunken."
Sie hatte nur ein einziges Glas getrunken. Trotzdem reichte sie ihm die Schlüssel, weil sie ein schlechtes Gewissen hatte. Er schloss die Tür auf und nahm auf dem Fahrersitz Platz.
"Ich muss Ihnen den Weg beschreiben", erklärte sie, nachdem sie ebenfalls eingestiegen war.
"Ich erinnere mich noch genau an unsere halsbrecherische Fahrt hierher."
Darcy ging auf seine Bemerkung nicht ein. Sie hatte
tatsächlich einen flotten Fahrstil. Und in drei Tagen würde sie ihn heiraten müssen. In gewisser Weise war sie nun erleichtert darüber, dass ihre Ehe nur eine Farce war, denn er hatte überhaupt keinen Sinn für Humor und war launisch. Schlimmer noch, er grübelte ständig. Verstohlen betrachtete sie sein markantes Profil, das im Mondlicht gut zu erkennen war. Aber trotzdem sah er umwerfend aus!
Schnell wandte sie den Blick ab, denn sie verspürte schon wieder ein erregendes Prickeln und schämte sich dafür. Er erinnerte sie an Zias Vater ... Was war das Problem? Sie schüttelte den Kopf und betrachtete ihre Hände, die sie krampfhaft im Schoß gefaltet hatte, doch obwohl sie dagegen ankämpfte, stürmten die schmerzlichen Erinnerungen erneut auf sie ein ...
Nachdem Richard sie vor dem Altar hatte stehen lassen, hatte sie beschlossen, die geplante Hochzeitsreise allein anzutreten.
Natürlich war es trostlos gewesen, und blind für die Sehenswürdigkeiten der Stadt, war sie ziellos durch Venedig gelaufen und hatte versucht, mit ihrem Kummer fertig zu werden. Eines Vormittags beobachtete sie, wie ein junges Paar sich auf der Piazza San Marco stritt. Die Frau, eine temperamentvolle Brünette, schleuderte ihrem Freund etwas entgegen, das ihr, Darcy, direkt vor die Füße fiel. Dann gingen die beiden in entgegengesetzte Richtungen davon. Bei dem Gegenstand handelte sich um eine goldfarbene Einladungskarte zu einem Maskenball in einem der wunderschönen Paläste am Canal Grande.
Zwei Tage später ertrug sie die Einsamkeit und die
Langeweile nicht länger. Sie kaufte sich eine Maske und zog das grüne Abendkleid an, in dem sie sich wie verwandelt fühlte aufregend anders und sehr weiblich. Ihre Brille setzte sie nicht auf, da sie ihrer Meinung nach damit wie eine Streberin aussah, und nahm außerdem eine großzügig bemessene Dosis Tabletten, weil sie erkältet war.
Als sie den großen, hell erleuchteten Palazzo sah, verließ sie fast der Mut. Da jedoch eine Gruppe gleichzeitig mit ihr eintraf, war
Darcy im allgemeinen Trubel gezwungen, ihre
Einladungskarte ebenfalls abzugeben. Eine breite,
geschwungene Marmortreppe führte nach oben, und als Darcy den herrlichen Ballsaal mit den verspiegelten Wänden betrat, in dem zahllose schöne und elegant gekleidete Leute versammelt waren, fühlte sie sich noch unsicherer, denn sie fürchtete, jeden Moment als ungeladener Gast entlarvt zu werden.
Nachdem sie eine Weile dagestanden hatte, bahnte sie sich einen Weg durch die Menge zu den wehenden Vorhängen auf der anderen Seite des Raumes, die auf einen großen Balkon führten. Aus sicherer Entfernung beobachtete sie die Gäste, so gut es ihre Kurzsichtigkeit zuließ.
Als ein Mann in einem weißen Jackett, der keine Maske trug und ein Tablett mit einem Glas in Händen hatte, auf den Balkon trat und sie auf Italienisch ansprach, nahm Darcy an, dass es sich um einen Ober handelte.
"Grazie", sagte sie und tat so, als würde sie nach dem Tanzen frische Luft schnappen. Daher leerte sie das Glas in einem Zug.
Daraufhin sagte er wieder etwas zu ihr.
"Ich spreche kein Italienisch ..."
"Das war Spanisch", erklärte er sanft auf Englisch. "Ich dachte, Sie seien vielleicht Spanierin. Ihr Kleid ist sehr auffällig."
Als sie lediglich die Schultern zuckte, fuhr er fort: "Sie sind offenbar allein." Lässig lehnte er sich an die Steinbalustrade, nachdem er das Tablett abgestellt hatte.
"Das war ich. Und ich bin gern allein."
Der Mann neigte den Kopf zurück. Obwohl sie seine Züge aus der Entfernung überhaupt nicht erkennen
Weitere Kostenlose Bücher