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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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dass ich von der Strecke wenig mitbekommen habe. Ich könnte nicht einmal sagen, in welche Himmelsrichtung wir gefahren sind.»
    Antjes Mutter lebte in einer Vorstadt, einem lebhaften Viertel, in dem die Häuser in allen Farben des Regenbogens angestrichen waren, und sich Menschen verschiedener Herkunft mischten: neben Javanern Chinesen, Araber, Inder und in kleinen Backsteinhäusern, deren Vorbilder am Ijsselmeer standen, Abkömmlinge der holländischen Kolonisatoren. Klein waren die Häuser alle. Einige hatten schmucklose Fassaden mit leeren Fensterhöhlungen, aber leicht geschwungenen Pagodendächern, andere demonstrierten bescheidenen Wohlstand durch einen von Säulen getragenen Vorbau und zwei Kübel mit Zwergpalmen als Schmuck des winzigen Vorgartens. Selten stand ein von der Feuchtigkeit und den schlechten Straßen mitgenommenes Automobil in der Einfahrt.
    Straßenhändler gingen von Tür zu Tür. Sie trugen Bambusstangen über den Schultern, an deren Enden, gehalten von vier Schnüren, Körbe mit Obst und Gemüse hingen. Ein anderer Verkäufer pries in einem melodiösen Singsang seine Ware an: Er hatte auf seinem Karren allerhand Schnitzereien aus Kokosnussschalen und Büffelhorn ausgebreitet.
    Antjes Mutter war eine zarte Person mit anmutigen Bewegungen, sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um ihre Tochter zur Begrüßung zu umarmen. Sie hatte Antje die Färbung und die samtene Oberfläche der Haut und ein Lächeln vererbt, das gleichzeitig freundlich einladend und freundlich abweisend war.
    Die Nachbarn sprachen sie mit dem Namen der Provinz an, aus der sie stammte: Sie war die aus Bandung. Mit Antjes Vater hatte sie zehn glückliche Jahre verbracht bis zu dem Tag, an dem er seine Koffer packte, um im fernen Amsterdam das Haus zu beziehen, das ihm durch Erbschaft zugefallen war. Seither lebte sie allein. Sie trauerte um ihn wie um einen Toten, brachte seiner Seele im Tempel Opfer dar und lächelte ihr abweisendes Lächeln, wenn der Blick fremder Männer sie traf. Zum Empfang ihrer Gäste trug sie ein langes, eng anliegendes Gewand, einen Sarong aus einem feinen Batikstoff, darüber, um die Schultern zu bedecken, eine weiße Bluse aus durchscheinendem Leinen. Ihre langen, glänzend schwarzen Haare hatte sie glatt nach hinten gekämmt und zu einem Knoten gebunden, der von einer Spange aus Büffelhorn zusammengehalten wurde.
    Sie begrüßte Bernhard mit einer kleinen Verbeugung, sah ihm dabei in die Augen, als wolle sie sich vergewissern, dass er dem Mann entsprach, von dem Antje ihr erzählt hatte. Dr. Holzer schüttelte sie freudig die Hand und legte ihre linke auf seine rechte, wie um einen Pakt zu besiegeln, dessen Geheimnis nur sie beide kannten. In ihrem Wohnzimmer hingen Farbdrucke niederländischer Meister: ein Bild des Blumen-Brueghel und von Vermeer die Ansicht von Delft, einer Stadt, die sie nie gesehen hatte. Sie bat ihre Gäste, auf den niedrigen Hockern Platz zu nehmen, auf denen Bernhard in der Stadt die Händler vor ihren Läden hatte sitzen sehen, und reichte stark gesüßten Tee.
    Bernhard hatte seinen Zeichenblock mitgebracht. Er sah, dassAntje vor Freude strahlte, aber statt sich an dem Gespräch zu beteiligen, sah er sich nach einem Motiv für eine Skizze um, die er Bandung als Dank für die freundliche Aufnahme geben wollte. Von seinem Platz aus konnte er durch ein geöffnetes Fenster in das wuchernde Grün eines Gartens sehen, ein Anblick, der nach den Tagen in der Stadt seinen Augen guttat. Am äußersten Ende stand, von einem Rankgewächs mit großen, herzförmigen Blättern halb verdeckt, ein Schuppen oder eine Hütte. Das alte Holz leuchtete silbern in der Sonne. Bernhard hätte sie gerne gemalt, aber dazu blieb keine Zeit, alle standen auf, um Dr. Holzer zu seinem Krankenbesuch zu begleiten.
    Die Frau wohnte ganz in der Nähe. Ein Kind öffnete die Tür und wollte sie ins Haus führen, aber da Dr. Holzer wusste, dass die Patientin eine Santri aus einer nach den Geboten des Islam lebenden Familie war, trat er nicht ein. Er fragte nach ihrem Mann. Nur in seiner und Antjes oder Bandungs Gegenwart war er bereit, sie zu untersuchen.
    Bernhard setzte sich mit seinem Block so auf einen Stapel Bretter, dass er die Straße überblicken konnte. Er hatte noch kein geeignetes Sujet gefunden, als ihm ein auffallend stämmiger Mann die Sicht verstellte. Er hatte Bernhard den Rücken zugewandt und schien etwas mit gespannter Aufmerksamkeit zu beobachten. Da tauchte hinter dem Mann ein

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