Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck

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und rief: «Prost!» – Dann fixierte er die beiden Deutschen und sagte stolz: «Hals- und Beinbruch!»
    ***
    Commissaris Langmut hatte nicht zu viel versprochen. Das «Surabaja» war ein kleines, sauberes Hotel, in dem Kaufleute und Handelsvertreter aus dem Süden abstiegen. Der Freund eines Onkels von Commissaris Langmut hatte ihm den Namen im Andenken an seine Heimatstadt gegeben, von der ein Panoramafoto die Eingangshalle schmückte. Alle Türen des Hauses quietschten, in den Zimmern gab es Mücken, aber keine Kakerlaken, keine blutverschmierten Wände und am Morgen nicht den Geruch von Erbrochenem.
    Bernhard atmete auf. Er hatte einen kleinen Tisch in sein Zimmer bringen lassen, sodass er auf dem Bett sitzend eine Unterlage für sein Tagebuch hatte. «Der Mensch ist, mehr als mir bewusst war, von äußeren Gegebenheiten abhängig. Diese Abhängigkeit lehne ich im Grunde ab. Der Schmutz und Lärm der ersten beiden Tage hätte für mich nicht unerträglich sein dürfen, solange ich nicht an Brechdurchfall leide und man mir nicht den Schädel einschlägt. Der Schock, unter dem ich stand, zeigt mir, wie wenig ich auf diese Reise vorbereitet war. In meinen Studien habe ich einiges über die religiösen Vorstellungen, die Kultur und Geschichte fremder Völker, wenig über ihr Alltagsleben, nichts über die drückende Hitze, Gerüche und Geräusche oder Ungeziefer erfahren. Ich wollte das aus Büchern Angelesene an einem Beispiel vor Ort überprüfen. So habe ich dieses Unternehmen gerechtfertigt, in Wirklichkeit aber bin ich vor dem Zugriff meines Vaters geflohen. Er hatte sicher einen Tobsuchtsanfall, als er von meiner Flucht erfuhr. Jetzt sitzt er ganz allein zu Füßen seiner Hirschgeweihe und kann ungestört in seinen Jagdzeitschriften blättern.»
    «Morgens frühstücke ich mit Dr. Holzer in unserem Stammcafé. Ich warte darauf, dass er mir das Du anbietet. Es würde mich freuen, obwohl ich nicht einmal weiß, wie er mit Vornamen heißt. Ohne es uns einzugestehen, warten wir darauf, dass sich Antje wieder blicken lässt.
    Danach laufe ich mit Frank durch die Stadt. Er macht sich nützlich, indem er mir die Bettler und Händler vom Leib hält. Besonders aufdringlich sind sie im chinesischen Viertel. Sie versuchen, einem die unvorstellbarsten Sachen aufzuschwatzen: Ich rede nicht von Teppichen, Gewürzen oder Regenschirmen, im Angebot sind Rauschgift, Skorpione (lebende gegen Rheuma, in eine stinkende Flüssigkeit eingelegte gegen Geschlechtskrankheiten), gekochte Stier- und Hammelhoden zur Stärkung der Manneskraft, um nur einige Absonderlichkeiten zu nennen. Ich fühle mich ins Mittelalter zurückversetzt. Aber allmählich lässt der Reiz nach, was die Stadt an Exotischem zu bieten hat, habe ich gesehen. Gern würde ich einen Ausflug aufs Land unternehmen.»
    «Ich bin aufgewühlt (und habe vergessen, wegen meiner Kamera Anzeige zu erstatten). Ich sollte wieder anfangen, zu zählen: die Automobile, die mich auf meinen morgendlichen Rundgängen überholen, die Reklameschilder auf meinem Weg, die Straßenlaternen mit eingeschlagenen Glashauben oder die Atemzüge von meinem Hotel zum Café. (Und wie oft am Tag denke ich wohl an Antje?) Ich bin zwar kein Kenner der Zahlenmystik, aber zählen konzentriert und beruhigt.»
    «Dr. Holzer ist ein zuverlässiger Freund, aber er trinkt meines Erachtens zu viel. Morgens kommt er erst spät und nur unter Mühen auf die Beine. Der Ausschank von Alkohol ist zwar nicht verboten, für die Einheimischen gelten aber die Gesetze des Islam. Trotzdem habe ich gesehen, wie er und Commissaris Langmut sich zuprosteten. Er hat Quellen, die ihn mit Bier, Schnaps und sogar Wein versorgen.»
    «Vorhin saß überraschend Antje in der Eingangshalle. Ich muss sagen, sie ist mir sehr sympathisch. Mein Herz schlug schneller, als ich sie sah. Ich hatte keinen starken Tee getrunken, kann also die plötzliche Erregung nur auf ihre Ausstrahlung zurückführen. – Eine Nachbarin ihrer Mutter leidet unter anhaltendem Fieber.Antje hat Dr. Holzer gebeten, sie zu der kranken Frau zu begleiten, und mich hat sie gefragt, ob ich mitkommen will. Ohne zu zögern habe ich direkt zugesagt (was eigentlich nicht meine Art ist).»

3. Kapitel
    «Antje hat für die Fahrt ein geräumiges Taxi mit, wie Dr. Holzer feststellte, einwandfreien Reifen besorgt und es so eingerichtet, dass ich neben ihr saß. Es kann Zufall gewesen sein, aber ich habe es als gutes Zeichen genommen und war durch ihre Nähe so abgelenkt,