Der Maskensammler - Roman
Frank. «Commissaris Langmut wird mir Vorwürfe machen …» – «Behalte den Rest. Du warst mir eine große Hilfe.» – «Wenn Sie wiederkommen, habe ich einen Führerschein und fahre mit Ihnen rund um die Insel», sagte Frank. Dann holte er einen Kuli für das Gepäck.
In Tandjung Priok führte er Bernhard in das Büro des Commissaris. «Gefallen Ihnen die Masken? Eigentlich ist ihre Ausfuhr nicht gestattet. Aber ich werde ein Auge zudrücken, schließlich sind wir Freunde … Gehaben Sie sich wohl. Allah weiß, dass Sie ein guter Mensch sind. Er möge Sie beschützen.» Dann nahm er Haltung an, setzte einen Stempel unter Bernhards Ausreisepapiere und drückte ihm fest die Hand. Es war der 1. Mai 1940.
Verloren stand Bernhard auf dem Kai zwischen seinen Schiffskoffern. Frank hielt an seiner Seite Wacht und verscheuchte die Händler und Bettler. Plötzlich zupfte er ihn am Ärmel, zeigte in Richtung Eingang und sagte: «Candra! Antje!» Sie kam auf ihn zu, Schritt für Schritt, bis sie dicht vor ihm stand. Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und sah ihm in die Augen. «Ich muss dir was sagen: Ich bin schwanger. Das Kind ist von dir.»
5. Kapitel
Als Egon von Riederer den alten, an den Ausläufern des Hunsrück gelegenen Gutshof mit dem schiefen Dach über den dicken, schimmelfeuchten Mauern hatte abreißen lassen und an seiner Stelle Haus «Diana» mit unter Putz verlegten Elektroleitungen, Zentralheizung und einem Speisenaufzug gebaut hatte, mit dem heiße Getränke und schon mal ein Stück Kuchen aus der Küche direkt in sein Arbeitszimmer transportiert werden konnten, war das schlichte Nebengebäude stehen geblieben. Dort wurden in niedrigen Räumen mit derbem Bretterboden und ohne fließendes Wasser früher die Mägde und Knechte untergebracht, und dort spielte sich das Drama von Katrins Jugendjahren ab.
Ihre Eltern waren bei den von Riederers als Hausmeister angestellt, eine unzutreffende Berufsbezeichnung, denn sie waren neben Putzen, Waschen, Kochen auch für den Gemüsegarten, die Hühner, die Schafherde und das Mastschwein, die Heuernte und den Wald zuständig. Da sie nicht verheiratet waren, wurden sie schlechter bezahlt als gestandene Ehepaare. Das war üblich. Sie lebten in Sünde, wie der Pfarrer es nannte, und Katrin war ein Kind der Sünde. Das ließen sie die Lehrer im Unterricht, ihre Mitschülerinnen und selbst der Hausmeister spüren, auch wenn ihr Betragen «gut» war. Früh musste sie mithelfen, auch schwere Arbeiten verrichten, sie bekam Muskeln und ein breites Kreuz, man hätte sie für einen kräftigen Jungen halten können.
Der Baron nannte sie «mein Fräulein» und verhielt sich auch ansonsten korrekt. Wenn er sie nach Birkenfeld, in das nahe gelegeneStädtchen, schickte, um Einkäufe zu machen, ging sie erhobenen Hauptes durch die Straßen. Beim Anblick der nicht bis oben zugeknöpften Blusen und ihrer Röcke, die nur bis knapp unters Knie reichten, ging den Männern hinter den Postschaltern, den Gemüseständen und Werkbänken durch den Kopf, mit welcher Münze ihre Mutter den Kartoffelschnaps bezahlte, und die Frauen setzten steinerne Mienen beim Anblick des «Bankert» auf. Katrin aber ging, wenn sich in der Metzgerei oder Bäckerei Schlangen bildeten, freundlich grüßend an allen vorbei bis zur Kasse, wo vorbestellte Einkaufstüten für Herrn von Riederer bereitstanden, den einzigen Baron im Landkreis.
Als ihn seine Krankheit zwang, die Jagdflinte ein für alle Mal an den Nagel zu hängen, stellte Egon von Riederer auch seine Kontrollgänge ein, auf denen er den Hof, die Blumenbeete und den Gemüsegarten regelmäßig inspiziert hatte. Dann wurde er bettlägerig, und Katrin musste Dinge verrichten, die ihm peinlich waren. Um abzulenken, sagte er: «Wenn mein Sohn eines Tages zurückkommt, dann sag ihm einen schönen Gruß von mir: Er soll dich heiraten.» Er merkte, dass Katrin die Bemerkung nicht witzig fand und ergänzte schnell: «Keine Angst, dazu wird es nicht kommen. Er kann sich nie zu etwas entschließen.» – Seine Kräfte ließen nach, er magerte ab, ein Tumor fraß ihn von innen auf. «Bevor ich sterbe, will ich dir zwei Geschenke machen», sagte er. Es waren eine in Halbleder gebundene Ausgabe von Gustav Freytags «Soll und Haben» und ein roter Gürtel mit einer verzierten, silbernen Schnalle. «Er hat meiner Frau gehört, er ist das Letzte, was ich von ihr habe.»
Für Gefühle oder gar Zärtlichkeiten war bei den Eltern kein Platz. Am Samstag nach
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