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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Mannschaft ihr zweites Tor. Jetzt gab es kein Halten mehr. Jean-François trat dem Mann auf demBoden in den Magen und dann unters Kinn, dass der mit dem Kopf gegen eine Mauerkante schlug und in einer Lache aus Blut und Erbrochenem liegen blieb. Dann trank er das Bier des Italieners aus und kam erst wieder zu klarem Bewusstsein, als zwei Polizisten ihm Handschellen anlegten und ihn abführten.
    Sechs Wochen saß Jean-François in Untersuchungshaft, dann kam es zur Verhandlung. Ihm drohten mehrere Jahre Haft wegen schwerer Körperverletzung. Zeugen wurden aufgerufen. Die Wirtin gab zu Protokoll, ihr wäre im Tumult eine Flasche teuren Cognacs gestohlen worden; einer der Gäste, die im «Rotfuchs» dabeigewesen waren, sagte aus, er hätte sich in Sicherheit gebracht, als die ersten Gläser zu Bruch gingen; ein anderer wollte in den verhängnisvollen Minuten einen großen zotteligen Hund gesehen haben, der zähnefletschend in der Tür stand. An Einzelheiten konnte sich keiner, auch keiner der Italiener mehr erinnern.
    Da meldete sich im Gerichtssaal Bernhard Riederer zu Wort. Blass und ungelenk stand er in der zweiten Reihe. Lange war er nicht mehr unter Menschen gewesen, alle schauten auf ihn, jetzt musste er sprechen. Er verabscheute Gewalt, aber Jean-François war sein Angestellter. Ein unerwarteter Impuls hatte ihn dazu gebracht, sich für ihn einzusetzen. Mit belegter Stimme bat er den Richter, die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Jean-François habe Frau und Kind, Arbeit und eine Wohnung, er sei cholerisch veranlagt, aber kein Krimineller. Man müsse ihm eine Chance geben, er, Bernhard Riederer, bürge für ihn und sei bereit, für das Opfer ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen. Jean-François schwor, nie wieder werde er in ein Wirtshaus gehen, die Richter hatten ein Einsehen, dem Antrag seines Dienstherrn wurde stattgegeben.
    In der Gefängniszelle, in der er noch drei Tage bleiben musste, bis das Urteil rechtswirksam wurde, war Jean-François mit fünf anderen Häftlingen eingesperrt. Man sprach über die Zeit danach, schmiedete Pläne, tauschte Adressen aus, nannte mit gedämpfterStimme Namen von Bossen und Mittelsmännern. «Der kann was für dich tun.» – «Da lässt sich vielleicht was machen.» Jean-François sollte draußen ein paar Informationen weitergeben, Grüße ausrichten.
    Als sich das Gefängnistor hinter ihm schloss, legte Jean-François die zwanzig Kilometer bis zum Jagdhaus zu Fuß zurück. Er beachtete nicht die Kinder und Ugo, die ihm entgegenliefen, er klopfte an Bernhards Tür. Und als der vor ihm stand, fiel Jean-François auf die Knie und versuchte, ihm die Hand zu küssen. Dann ging er mit schweren Schritten, aber nicht ohne Würde zum Nebenhaus und schloss sich mit Katrin im Schlafzimmer ein.
    Am nächsten Morgen war Jean-François spurlos verschwunden.
    ***
    Kurze Zeit später notierte Bernhard: «Nie habe ich mir über meine Gefühle für die Mutter meines Kindes ernsthafte Gedanken gemacht. Dazu fühle ich mich nicht verpflichtet. Und da war auch nichts, über das ich hätte nachdenken können. Ich bin gefühllos. Neulich im Gerichtssaal habe ich mich nicht aus Sympathie oder Mitleid für Jean-François eingesetzt, sondern weil mein Vater es mir so anerzogen hat. Angestellte müssen arbeiten, dafür werden sie bezahlt. Ihr Platz ist auf dem Hof und nirgendwo sonst.
    Katrin hat keine Ansprüche gestellt und tut es bis heute nicht. Dafür sollte ich ihr dankbar sein. Ursula sehe ich manchmal von ferne. Ich spreche nicht mir ihr, nicht etwa aus Abneigung, sondern weil mir nichts einfällt, was ich ihr sagen könnte. Das Kind verbindet Katrin und mich nicht. Und das ist gut so, denn ich bin nicht in der Lage, eine Bindung – gleich welcher Art – einzugehen.
    Seit Jean-François sich davongemacht hat, kommt sie häufiger rüber, um zu putzen, wo sie früher nie geputzt hat, und um für mich zu kochen, mehr, als ich essen kann. Jedes Geräusch – undwenn es nur das Klappern von Geschirr ist – stört mich, und doch muss ich zugeben: Es ist auch ganz angenehm, eine Frau im Haus zu haben. Eine Frau. Ich weiß schon gar nicht mehr, was und wie das ist.
    Mir ist nicht entgangen, dass sich um Katrins Mund ein bitterer Zug gelegt hat. Als er das letzte Mal hier war, hat Ulrich mit ihr gesprochen. Sie verkümmert hier, meinte er. Wären die Kinder nicht, hätte sie alles liegen und stehen lassen und wäre mit ihm nach Berlin gegangen.
    Die Unglückliche erwartet wieder ein Kind –

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