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Der Maskensammler - Roman

Der Maskensammler - Roman

Titel: Der Maskensammler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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vieltausendköpfigen Heeres löschte er mit der unbesiegbaren, todbringenden Waffe in der Hand Millionen von Kreaturen aus. Oder er segnetevon einer Empore zwischen Himmel und Erde die Massen, die ihm huldigten. Oder er saß auf einem Thron aus Zuckerguss, an dessen Löwenfüßen Katrin, Ursula und Maria vor ihm hingestreckt leckten.
    ***
    Das Delikatessengeschäft hatte seine Verkaufsräume renoviert und bei der Gelegenheit, um Platz zu gewinnen, seine Regale und Theken neu geordnet. Am Tag der Wiedereröffnung mischte sich Manfred unter die Kunden, nahm Kostproben von silbernen Tabletts und schlürfte aus kleinen Bechern Tee- und Kaffeesorten, die neu im Sortiment waren. Die Wein- und Spirituosenabteilung mit den verlockenden Cognacflaschen war jetzt an die Wand gleich links gerückt, nur ein paar Schritte vom Eingang entfernt. Manfred wusste, diese Flaschen und auch die bauchigen Gläser, die da zur Dekoration standen, waren für ihn bestimmt.
    Bald darauf kam Manfred wieder mit einer schwarzen Sporttasche über der Schulter. Sie war leer bis auf ein paar getragene Hemden, der Reißverschluss war offen. Vor dem Geschäft stand ein Kinderwagen; das brachte ihn auf eine Idee. Er beugte sich vor, als wolle er einen Blick auf das Baby unter seinem Deckchen werfen. Während er ihm freundlich zulächelte, löste er mit dem Fuß die Bremse an den Hinterrädern. Der Bürgersteig war leicht abschüssig, Manfred half ein wenig nach, der Wagen kam ins Rollen und gewann an Fahrt. Als er gegen einen Laternenpfahl prallte, war Manfred schon im Geschäft. Es entstand ein Tumult, großes Geschrei, die Mutter des Kindes ließ die Einkaufstasche fallen, stieß andere Frauen beiseite und war, gefolgt von dem Ladeninhaber, Verkäuferinnen und der gesamten Kundschaft, in wenigen Sprüngen bei dem zerbeulten Kinderwagen. Wie eine Mauer umgaben die Rücken der Schaulustigen das plärrende Baby in ihrer Mitte.
    In aller Ruhe griff Manfred nach den teuren Flaschen, bettete sie weich zwischen die Hemden, legte zwei Whisky dazu, verschloss die Tasche und nahm im Vorbeigehen, da die Kasse sich öffnen ließ, noch einen Fünfzig-Mark-Schein an sich. Auf der Straße, schon auf dem Heimweg, kam ihm mit Martinshorn und aufgeregt blinkend ein Krankenwagen entgegen. Vermutlich hatte die Mutter des Kindes einen Nervenzusammenbruch erlitten.
    Manfred war mit dem Erfolg seiner Unternehmung zufrieden. Auf den Gedanken, dass seine Tat ein Diebstahl war, kam er nicht. Das Ablenkungsmanöver, der Einfall mit dem Kinderwagen gefiel ihm. Wenn er daran dachte, lächelte er. Seine Beute wollte er an einem sicheren Ort verwahren, aber es kam anders: Eine Cognacflasche tauschte er gegen einen Kasten Bier, eine zweite verwandelte er innerhalb einer Woche in Hähnchenschenkel und Currywürste mit Pommes frites. Mit den Whiskyflaschen verschaffte er sich Zutritt zu einem Club, in den eigentlich nur Paare eingelassen wurden, wobei die mitgebrachten Damen sich der Allgemeinheit zur Verfügung stellen mussten. Manfred machte bei den Vergnügungen nicht mit, er saß in einer Ecke und beobachtete das Treiben. Die letzte Flasche Cognac rührte er nicht an. Sie war für den Tag des Sieges bestimmt. Was für ein Sieg das sein würde, war ihm unklar. Aber das würde er beizeiten rausfinden.
    ***
    Das Schicksal ließ mit einem Fingerzeig nicht lange warten. In der Nacht, als Manfred mit einem Schuss in die Luft versuchte, seine Ehre wiederherzustellen, wurde in München ein Waffengeschäft ausgeraubt. Einer der drei Täter fuhr mit einem ausgemusterten Geländewagen der Bundeswehr, der – wie sich herausstellte – gestohlen war, in das Schaufenster des Ladens. Der Aufprall war so heftig, dass das Sicherheitsgitter weggerissen, das Fensterglas zertrümmertund so der Weg für die Kumpane freigemacht wurde. Die verstauten blitzschnell alles, was sie raffen konnten, in Postsäcken und verschwanden mit ihrer Beute in einem ebenfalls gestohlenen Lieferwagen. Sie wurden gesehen, aber nicht erkannt, es war Nacht, und das Trio trug Kapuzen. Als ein Kranwagen das schrottreife Militärfahrzeug aus dem Schaufenster zog, hatte die Polizei bereits eine Großfahndung eingeleitet. Der Lieferwagen wurde mit leer gefahrenem Tank auf einem Autobahnparkplatz gefunden, von den Tätern fehlte jede Spur.
    So spektakulär der Überfall auch war, er verschwand nach kurzer Zeit aus den Schlagzeilen. Die letzte Meldung verwies auf eine Spur, die ins Ausland führte. Der grauenhafte Mord an einer

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