Der maskierte Tod
steckte ein Trauerring, ein Ring, welcher aus dem Haar seiner Mutter gemacht war.
Ich reichte ihm das Glas mit Brandy. Er nahm es teilnahmslos, trank jedoch nicht.
»Los, tue dir selbst etwas Gutes«, sagte ich ermutigend. Es gab kein Anzeichen dafür, dass er mich gehört hatte.
»Du wirst es irgendwann tun müssen; du weißt verdammt gut, dass ich das Zeug nicht anrühren kann. Los, komm schon.«
Er warf mir einen gleichgültigen Blick zu, dann hob er endlich das Glas an die Lippen und nippte an dem Brandy. Daraufhin stellte er ihn beiseite. »Ich wäre wirklich gerne allein«, murmelte er.
Er war nicht der Einzige, der sich taub stellen konnte. »Radcliff scheint für dich die erlesensten Leckerbissen zubereitet zu haben. Es ist jammerschade, dass ich das Festmahl versäume.« In Wirklichkeit erregte der Geruch des gebratenen Fleisches Übelkeit in mir, aber ich ignorierte das Gefühl mannhaft.
»Ich bin nicht hungrig«, behauptete er vor sich hin murmelnd.
»Das kann ich kaum glauben.«
»Glaube, was du willst, aber bitte, lasse mich allein.«
»In Ordnung, wie du meinst.« Ich drehte mich um. »Nur einen Moment, da ist etwas an deiner Hand...«
Ich ergriff den Trauerring und zog ihn Oliver vom Finger, indem ich so tat, als untersuche ich ihn. »Nun, dies ist eine schauerliche Reliquie. Ich frage mich, ob er aus ihrem eigenen Haar angefertigt wurde, oder aus einer ihrer Perücken...«
»Was, zum Teufel, machst du – gib ihn mir!« Er erhob sich mit einem Ruck aus seinem Sessel.
»Jetzt noch nicht.« Ich gab ihm einen Stoß, so dass er wieder zurücksank. Er schlug meinen Arm beiseite. »Wie kannst du es wagen!«
»Das ist leicht.«
»Bist du verrückt geworden? Gib mir –« Er erhob sich erneut, und ich wich zurück, wobei ich den Ring in die Höhe hielt. Er machte einen Sprung, um ihn zu erreichen, und ich ließ es zu, dass er meinen Arm zu fassen bekam, erlaubte ihm aber nicht, den Ring zu ergreifen. Ich sorgte dafür, dass wir uns in die Mitte des Raumes bewegten, wo es keine Möbel gab, über welche man stolpern konnte, und wir kämpften miteinander wie zwei Jungen, die eine Rauferei auf dem Schulhof austrugen.
»Ich bin sicher, deine Mutter ... wäre entzückt...«, presste ich während unseres Kampfes hervor, »die Tiefe ... deiner Hochachtung für sie ... zu erkennen.« Olivers Gesicht war vor Wut rot angelaufen. »Du Bastard ... warum ... ich hasste sie!«
Nun zeigte ich ihm einen Teil meiner wahren Kraft, indem ich mich hinter ihn manövrierte und seine Arme hinter seinem Rücken festhielt, als sei er ein kleines Kind. Halb über dem Boden schwebend, kämpfte er gegen mich an, doch vergeblich. Er versuchte, mir gegen die Schienbeine zu treten, und es gelang ihm auch einige Male; aber dies störte mich nicht weiter, denn ich war viel zu sehr damit beschäftigt, darauf zu achten, ihn nicht zu verletzen.
»Du hasstest sie?«, fragte ich ihn mit gespieltem Erstaunen.
»Verdammt seiest du – lass mich los!« Er wand sich mit aller Kraft, ermüdete aber rasch. Sein selbst auferlegtes Fasten in den vergangenen Tage hatte ihm nicht sonderlich gut getan.
»Bist du sicher, dass du sie hasstest?«, höhnte ich.
»Verdammt seiest du!«, brüllte er und landete mit der Kante seines Absatzes einen wahrhaft bösartigen Tritt gegen meine Kniescheibe. Ich spürte den Schmerz, stöhnte und ließ ihn los. Er machte einen taumelnden Schritt, um sein Gleichgewicht wieder zu erlangen, und wirbelte herum. Sein Gesicht war so verzerrt vor Wut, dass ich ihn kaum wieder erkannte. Hatte ich ihm zu sehr zugesetzt?
Offenbar ja, denn er griff mich mit geballten Fäusten an, von denen er aufs Geratewohl Gebrauch machte, indem er damit auf jeden Körperteil von mir einprügelte, welcher töricht genug war, innerhalb seiner Reichweite zu bleiben. Indem ich versuchte mich von ihm fern zu halten, stolperte ich gegen Tische und andere Möbel. Vasen und Teller fielen zu Boden und zerbrachen, und es gelang uns, ein Porträt von der Wand zu reißen; das Schlimmste war, als ein Stuhl umkippte und ich mit ihm. Mein Kopf schlug mit einem dumpfen Knall auf dem Boden auf, das Kerzenlicht flackerte und blitzte vor meinen Augen, was in mir ein leichtes Schwindelgefühl auslöste.
Dies ist alles so entsetzlich dumm, dachte ich, als ich zitternd am Boden lag. Ich war einen Moment lang zu benommen, um mich weiterhin zu verteidigen, und erwartete, dass Oliver dies ausnutzen würde, um mit den Fäusten auf mich einzutrommeln ...
Weitere Kostenlose Bücher