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Der maskierte Tod

Der maskierte Tod

Titel: Der maskierte Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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geführt und Einfluss auf sie ausgeübt, damit sie nicht zu neugierig wurde hinsichtlich meiner Schlaf- oder Essgewohnheiten. Oder des Mangels daran. In der letzten Woche schien es, als sei jedes Mal, wenn ich aufwachte, ein neuer Dienstbote oder eine neue Dienstbotin im Hause, welche meiner Aufmerksamkeit bedurften. Bisher hatte niemand von ihnen auch nur die kleinste Notiz von meiner Andersartigkeit genommen, zumindest hatte Jericho nichts Derartiges gehört. Es war seine Aufgabe, nach Schwachpunkten zu suchen und mich zu warnen, wenn eine erneute Beeinflussung erforderlich schien.
    Aber im Augenblick war alles sicher. Meine Reisekiste mit ihren Beuteln voller Erde war in einem entlegenen Teil von Olivers Keller versteckt, was es mir gestattete, während des Tages ungestört zu ruhen. Es war eine einfache Sache für mich, bei Sonnenuntergang unsichtbar durch die Stockwerke des Hauses zu schweben, um in meinem Schlafzimmer wieder Gestalt anzunehmen und mich Jerichos Fürsorge zu unterwerfen. Es war nicht ganz so, wie es zu Hause gewesen war, aber die Unannehmlichkeit, mich jede Nacht in der Kiste zusammenzurollen, statt mich auf einer Bettstelle auszustrecken, war erträglich. Eine so vollkommene Ruhe besaß auch ihre Vorteile.
    Was meinen überaus lieben, guten Vetter betraf, nun, unser Gespräch in ›The Red Swan‹ war für uns beide quälend gewesen, aber dieses Erlebnis schuf ein festeres Band zwischen uns – etwas, das ich dringend gebraucht hatte, und das zu besitzen ich untertänig dankbar war – und all dies, ohne dass ich meinen Einfluss auf ihn ausüben musste. Aber es war ohne Zweifel die schwierigste Unterhaltung gewesen, die ich erlebt hatte, seit ich in meiner ersten Nacht, nachdem ich dem Grab entkommen war, auf Elizabeth getroffen war. Das Thema war im Wesentlichen das Gleiche: eine Erklärung meiner selbst, der Veränderungen, welche ich durchlebt hatte, und die verzweifelte, unausgespro- chene Bitte, das Unmögliche zu akzeptieren.
    Aber da Oliver so sehr mein Freund wie mein Verwandter war, besaß er ein Herz, welches groß genug war, um das zu hören, was nicht ausgesprochen wurde.
    Nicht, dass irgendetwas von dem, was er gehört hatte, für ihn sonderlich leicht war. Es dauerte eine beträchtliche Zeit, ihn zu überzeugen, dass ich wirklich nicht so war wie der alte Dexter, einer der Verwalter in Cambridge, dessen Beziehung zu Frauen von einer solchen Art war, dass er keine Befriedigung erlangen konnte, wenn seine Partnerin nicht seine nackte Kehrseite mit der Rute züchtigte. Wir Studenten fanden es durch eine der Stadthuren heraus, welche nicht so diskret war wie Molly Audy, was den Klatsch über ihre Kunden betraf. Die meisten von uns dachten, er sei ein merkwürdiger Kerl, wenn auch sehr liebenswert.
    Aber als ich Oliver erst einmal überzeugt hatte, dass mein Bedürfnis, Blut zu trinken, eine physische Notwendigkeit darstellte, deren Wichtigkeit der seines täglichen Essens entsprach, kehrte ein wenig mehr Ruhe in unser Gespräch ein.
    Seine medizinische Ausbildung und seine Neugierde überwog gegenüber seiner anfänglichen Angst und seinem Erstaunen, und er bombardierte mich geradezu mit Fragen. Unglücklicherweise konnte ich sie nicht alle beantworten, zumindest nicht diejenigen, welche ich Nora stellen wollte.
    Auch von seiner Seite aus gab es vieles, über das gesprochen werden musste. Größtenteils ging es um seine Gefühle ihr gegenüber, welche sehr zwiespältig waren. Gewiss fand er sie schön, sogar bezaubernd, ebenso wie viele der anderen Männer in unserem Freundeskreis es taten, aber er war zutiefst beunruhigt über ihre Gewohnheiten, damals wie heute.
    »Sie benutzte uns – jeden von uns – um sich an uns zu laben wie ein Wolf an Schafen«, meinte er mit einem Anflug von Ärger.
    »Man kann es so betrachten, aber andererseits gab sie sich auch selbst bereitwillig hin, um anderen Vergnügen zu bereiten.«
    »Aber das macht sie zu –« Er hielt inne, als ihm bewusst wurde, dass ich Anstoß an seiner Schlussfolgerung nehmen könnte.
    »Ich weiß, wozu sie das macht, und ich werde die Ähnlichkeiten zwischen ihr und den beiden Damen, mit denen wir uns heute Nacht vergnügt haben, nicht leugnen. Aber beim Tode Gottes, Mann, ich werde ihr nicht das Recht missgönnen, ihren Lebensunterhalt so zu verdienen, wie sie es kann. Du musst die Grenzen beachten, welche unser Zustand uns auferlegt. Sie kann ebenso wenig ein Bekleidungsgeschäft eröffnen, wie ich zum Gerichtshof gehen

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