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Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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Mitte des Tales und eine Scheune am Ende eines kurzen Weges erkennen. Sie hörten auch das Rauschen von Wasser; ein Bach sprudelte ganz in der Nähe ihres gegenwärtigen Standortes aus dem Berg und plätscherte zwischen einer Reihe von Felsbrocken in die Tiefe, um unten vielleicht fünfzehn Meter von dem Haus entfernt vorbeizufließen.
    »Es ist sehr schön«, sagte Taleniekov.
    »Das ist die einzige Welt, die sie seit einem halben Jahrhundert kennt«, erwiderte Antonia.
    »Sind Sie hier oben aufgewachsen?« fragte Scofield. »War dies Ihr Zuhause?«
    »Nein«, sagte das Mädchen, ohne weiter auf die Frage einzugehen. »Kommen Sie, wir gehen jetzt zu ihr. Sie hat gewartet.«
    »Um diese Stunde?« Taleniekov war überrascht. »Für meine Großmutter gibt es weder Tag noch Nacht. Sie hat gesagt, ich solle Sie zu ihr führen, sobald wir eintreffen. Wir sind eingetroffen.«
    Für die alte Frau, die vor dem eisernen Ofen auf dem Stuhl saß, gab es tatsächlich weder Tag noch Nacht. Sie war blind. Ihre Augen waren zwei leere Kreise aus pastellfarbenem Blau, die sich nach Geräuschen orientierten und die Bilder ihrer Erinnerung sahen. Ihre Züge unter der verrunzelten Haut waren scharf und eckig; sie mußte einmal eine sehr schöne Frau gewesen sein.
    Ihre Stimme war weich, ein hohles Flüstern, das den Zuhörer zwang, ihre dünnen weißen Lippen im Auge zu behalten. Vielleicht war sie nicht besonders scharfsinnig, aber sie zeigte kein Zögern und keine Unschlüssigkeit. Sie sprach schnell. Ein schlichter Geist, aber sicher im eigenen Wissen. Sie hatte etwas zu sagen. In ihrem Hause war der Tod eine Realität, die ihre Gedanken und ihr Begriffsvermögen anzustacheln schien. Sie sprach italienisch in einem Idiom einer früheren Zeit.
    Sie begann, indem sie Taleniekov und Scofield aufforderte, ihr – jeder mit seinen Worten – zu sagen, weshalb er sich so für Guillaume de Matarese interessierte. Wassili antwortete zuerst. Er wiederholte seine Geschichte von der akademischen Stiftung in Mailand, die sich mit korsischer Geschichte befaßte.
    Er gab nur eine kurze Beschreibung und ermöglichte es damit Scofield, das Ganze auf seine Weise auszuschmücken. Das war die übliche Routine, wenn zwei oder mehr Abwehroffiziere festgenommen und gemeinsam verhört wurden. Keiner brauchte dazu eine Verabredung; diese Art der Lüge war beiden zweite Natur.
    Bray hörte dem Russen zu und bestätigte die Information, fügte Einzelheiten über Beträge und Daten hinzu, von denen er glaubte, daß sie sich auf Guillaume de Matarese bezogen. Als er fertig war, war er mit seiner Antwort nicht nur zufrieden, sondern fühlte sich dem KGB-Mann überlegen; er hatte seine »Hausaufgabe« besser als Taleniekov gemacht.
    Doch die alte Frau saß nur da und nickte stumm. Sie wischte sich eine weiße Strähne weg, die ihr ins Gesicht gefallen war. Schließlich redete sie.
    »Sie lügen beide. Der zweite Herr wirkt weniger überzeugend. Er versucht mich mit Fakten zu beeindrucken, die jedes Kind in den Hügeln von Porto Vecchio lernen könnte.«
    »Vielleicht in Porto Vecchio«, protestierte Scofield ruhig, »aber nicht unbedingt in Mailand.«
    »Ja. Ich verstehe, was Sie meinen. Aber dann stammt auch keiner von Ihnen beiden aus Mailand.«
    »Ganz richtig«, unterbrach Wassili. »Wir arbeiten nur in Mailand. Ich selbst bin in Polen zur Welt gekommen… Nordpolen. Ich bin sicher, daß Sie meinen Akzent bemerkt haben.«
    »Gar nichts habe ich bemerkt. Nur Ihre Lügen. Aber das macht nichts.«
    Scofield und Taleniekov sahen einander an und blickten dann zu Antonia hinüber, die erschöpft auf einem Kissen vor dem Fenster saß.
    »Was macht nichts?« fragte Bray. »Sie beunruhigen uns. Wir möchten, daß Sie frei sprechen.«
    »Das werde ich«, sagte die blinde Frau. »Ihre Lügen sind nämlich nicht die Lügen von Menschen, die eigennützig handeln. Gefährliche Männer vielleicht, aber nicht Männer, die der Profit treibt. Sie suchen den Padrone nicht zu Ihrem persönlichen Vorteil.«
    Scofield konnte nicht anders; er beugte sch vor. »Woher wissen Sie das?«
    Die leeren und doch machtvollen blaßblauen Augen der alten Frau hielten die seinen fest; es war schwer, sich vorzustellen, daß sie nichts sehen konnten. »Aus Ihren Stimmen«, sagte sie.
    »Sie haben Angst.«
    »Haben wir Grund dazu?« fragte Taleniekov.
    »Das hängt doch davon ab, was Sie glauben, oder nicht!«
    »Wir glauben, daß etwas Schreckliches geschehen ist«, sagte Bray. »Aber wir wissen

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