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Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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glänzten. Als sie dann zu sprechen begann, wandte sie sich ab und ging an das Fenster, von dem aus man auf die Piazza Navona hinunterblicken konnte. »Dann sollen Sie es wissen, es macht eigentlich nichts mehr aus… Sie haben unrecht. Ich kann dorthin zurück; die erwarten mich sogar. Wenn ich nicht zurückkehre, werden sie eines Tages kommen und mich suchen.«
    »Wer?«
    »Die Anführer der Roten Brigaden. Ich habe Ihnen auf dem Boot gesagt, daß ich aus dem Lager in Medicina weggerannt war. Das liegt mehr als ein Jahr zurück; seit mehr als einem Jahr habe ich mit einer Lüge gelebt, viel größer als die, die ich Ihnen erzählt habe. Sie fanden mich; man stellte mich vor das Rote Gericht – sie nennen es das Rote Gericht der Revolutionären Justiz. Wenn dieses Gericht Todesurteile ausspricht, so sind das nicht nur Phrasen. Das sind sehr reale Hinrichtungen, wie die Welt jetzt weiß.
    Ich war nicht indoktriniert worden, aber ich wußte, wo das Lager war und war Zeuge des Todes jenes Jungen geworden. Und am schlimmsten – ich war weggelaufen. Man konnte mir nicht vertrauen. Natürlich war ich im Vergleich mit den Zielen der Revolution nicht wichtig; sie sagten, ich hätte mich als noch weniger als unwichtig erwiesen. Eine Verräterin.
    Ich ahnte, was kommen würde, also bettelte ich um mein Leben. Ich behauptete, ich sei die Geliebte des Studenten gewesen, und daß meine Reaktion – wenn schon nicht bewundernswert – doch verständlich wäre. Ich betonte, daß ich zu niemandem etwas gesagt hätte, schon gar nicht zur Polizei.
    Ich sei der Revolution ebenso ergeben wie jeder andere im Raum – sogar mehr als die meisten, weil ich aus einer wirklich armen Familie stammte.
    Auf meine Weise klang das sehr überzeugend, aber da war noch etwas, was mir half. Um das zu begreifen, müssen Sie wissen, wie solche Gruppen organisiert sind. Es gibt immer einen Kader von starken Männern, und unter diesen einen oder zwei, die um die Führung konkurrieren, so wie männliche Wölfe in einem Rudel – sie knurren einander an, beherrschen die anderen, wählen ihre Gefährtinnen so, wie sie gerade Lust haben, das gehört mit zur Beherrschung. Ein solcher Mann wollte mich. Er war vermutlich der Bösartigste im ganzen Rudel; die anderen hatten Angst vor ihm; ich auch.
    Aber er konnte mein Leben retten, und ich traf meine Wahl. Ich lebte mehr als ein Jahr mit ihm zusammen und haßte jeden Tag, verabscheute die Nächte, in denen er mich nahm, empfand ebensoviel Ekel vor mir wie vor ihm.
    Und doch konnte ich nichts tun. Ich lebte in Angst; in solch schrecklicher Angst, daß man irgend etwas, was ich tat, mißverstand und mir eine Kugel in den Kopf jagte… ihre bevorzugte Exekutionsmethode.« Antonia wandte sich vom Fenster ab. »Sie haben mich gefragt, warum ich nicht vor Ihnen und dem Russen geflohen bin. Vielleicht verstehen Sie das jetzt besser; die Bedingungen, die mein Überleben bestimmten, waren mir nicht neu. Zu fliehen bedeutete den Tod; jetzt vor Ihnen zu fliehen, bedeutet jetzt den Tod. Ich war eine Gefangene in Bologna, ich wurde in Porto Vecchio eine Gefangene… und jetzt bin ich eine Gefangene in Rom.« Sie hielt inne und fuhr dann fort. »Ich bin Ihrer aller müde. Ich kann es nicht länger ertragen. Der Augenblick wird kommen, wo ich fliehen werde… und dann werden Sie schießen.« Wieder hielt sie ihm das Kleid hin. »Nehmen Sie Ihre Kleider, Signore Scofield. Ich bin in Hosen schneller.«
    Bray machte weder eine Bewegung, noch ließ er durch Gesten oder seine Stimme erkennen, daß er Einwände hatte. Fast lächelte er. »Es freut mich zu hören, daß Ihr Fatalismus den absichtlichen Selbstmord nicht einschließt. Ich meine, wir haben immerhin vor, es uns schwerzumachen.«
    »Darauf können Sie sich verlassen.« Sie ließ das Kleid auf den Boden fallen.
    »Ich werde Sie nicht töten, Antonia.«
    Sie lachte leise, spöttisch. »O ja, das werden Sie. Sie und der Russe sind die Schlimmsten. In Bologna töten sie mit Feuer in den Augen und rufen Parolen. Sie töten kaltblütig… Sie brauchen keinen inneren Zwang.«
    Einmal habe ich das getan. Man kommt darüber hinweg. Es gibt keinen Zwang, nur die Notwendigkeit. Bitte, reden Sie nicht von diesen Dingen. Die Art, wie Sie gelebt haben, ist Ihr Hinrichtungsaufschub. Das ist alles, was Sie wissen müssen.
    »Ich will Ihnen nicht widersprechen. Ich habe nicht gesagt, daß ich es nicht könnte – oder nicht tun würde –, ich habe nur gesagt, daß ich es nicht tun

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