Der Matarese-Bund
Tunis oder Tel Aviv. Jeder tut, was Crispi will. Niemand stellt Fragen. Aber das wissen Sie ja.«
»Wie steht es mit Ihren eigenen Telefonen? Sind die sauber?«
Crispi lachte. »Nachdem bekannt ist, was an meinem Telefon geredet wird, gibt es keinen Beamten in Rom, der eine solche Unverschämtheit zulassen würde.«
Scofield erinnerte sich an Robert Winthrop in Washington. »Jemand hat das vor gar nicht zu langer Zeit auch gesagt. Er hatte unrecht.«
»Ohne Zweifel«, nickte Crispi, und seine Augen grinsten belustigt. »Entschuldigen Sie, Brandon, aber Leute wie Sie befassen sich nur mit Staatsangelegenheiten. Wir an der Via Frascati haben in Angelegenheiten des Herzens zu tun. Das hat den Vorrang, wenn es um Vertraulichkeit geht. So war das schon immer.«
Bray erwiderte das Lächeln des Italieners. »Wissen Sie, vielleicht haben Sie recht.« Er hob sein Weinglas an die Lippen. »Lassen Sie mich einen Namen nennen. Scozzi-Paravacini.« Er trank.
Crispi nickte nachdenklich. »Blut sucht Geld und Geld sucht Blut. Was gibt es sonst noch zu sagen?«
»Sagen Sie es.«
»Die Scozzi sind eine der edelsten Familien Roms. Die ehrwürdige Contessa wird bis zum heutigen Tage in ihrem restaurierten Bugatti die Via Veneto hinaufchauffiert. Ihre Kinder sind Prätendenten für schon lange aufgegebene Throne. Unglücklicherweise sind diese echten oder vermeintlichen Thronansprüche das einzige, was sie hat, sonst nennt sie keine tausend Lire ihr eigen. Die Paravacini hatten Geld, viel Geld, aber keinen Tropfen anständigen Blutes in den Adern. Es war eine Ehe, die vor dem himmlischen Gericht der wechselseitigen Vernunft geschlossen wurde.«
»Wessen Ehe?«
»Die Tochter der Contessa mit Signor Bernardo Paravacini. Das liegt lange zurück. Die Mitgift bestand in einigen Millionen und einer vernünftigen Position für ihren Sohn, den Grafen. Er hat den Titel seines Vaters übernommen.«
»Wie heißt er?«
»Guillamo. Graf Guillamo Scozzi.«
»Wo wohnt er?«
»Wo immer seine Interessen – die finanziellen und die sonstigen – ihn hinführen. Er hat eine Villa in der Nähe seiner Schwester in Tivoli, aber ich glaube nicht, daß er sehr oft dort ist. Warum fragen Sie? Steht er mit den Überläufern in Verbindung? Das ist höchst unwahrscheinlich.«
»Vielleicht weiß er es nicht. Könnte sein, daß er von den Leuten benutzt wird, die für ihn arbeiten.«
»Noch unwahrscheinlicher. Unter seiner charmanten Persönlichkeit steckt der Verstand eines Borgia. Glauben Sie mir.«
»Woher wissen Sie das?«
»Ich kenne ihn«, sagte Crispi und lächelte. »Er und ich sind einander nicht sehr unähnlich.«
Scofield beugte sich vor. »Ich möchte ihn kennenlernen. Nicht als Scofield natürlich. Als jemand anderer. Können Sie das arrangieren?«
»Vielleicht. Ich glaube, er ist in Italien. Irgendwo habe ich gelesen, daß seine Frau die Schirmherrin der Festa Villa d'Este ist, die morgen abend abgehalten wird. Eine Wohltätigkeitsveranstaltung für die öffentlichen Gartenanlagen. Er würde sich das nicht entgehen lassen; ganz Rom, wie man so sagt, wird dort sein.«
»Ihr Rom, nehme ich an«, sagte Scofield, »nicht das meine.«
Im Hotelzimmer sah er ihr zu, wie sie den Rock aus der Schachtel nahm und ihn auf ihrem Schoß faltete, als überprüfte sie ihn nach Unregelmäßigkeiten. Er begriff, daß das Vergnügen, das er dabei empfand, ihr Dinge zu kaufen, unpassend war. Kleider waren etwas Notwendiges; so einfach war das, aber dieses Wissen konnte die Wärme nicht verdrängen, die ihn durchflutete, wenn er sie beobachtete.
Die Gefangene war frei, die Entscheidungsfreiheit wieder hergestellt. Obwohl sie sich zu den exorbitanten Preisen geäußert hatte, die im Excelsior verlangt wurden, hatte sie sich nicht gesträubt, als er ihr in den Hotelgeschäften Kleider kaufte. Es war ein Spiel gewesen. Immer wieder sah sie zu Bray hinüber; wenn er nickte, runzelte sie mit gespielter Mißbilligung die Stirn – sah jedesmal auf das Preisschild –, überlegte wieder und bestätigte am Ende seinen Geschmack.
Seine Frau pflegte das in West-Berlin zu tun. In West-Berlin war das eines ihrer Spiele gewesen. Seine Karine hatte sich stets Sorgen um Geld gemacht. Sie hatte an die zukünftigen Kinder gedacht. Geld war wichtig. Die Regierung war als Arbeitgeber nicht großzügig. Ein Beamter im State Department, Besoldungsklasse zwölf, konnte kaum ein Schweizer Konto eröffnen.
Aber Scofield hatte das damals natürlich schon. In Bern, Paris,
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