Der Matarese-Bund
Sie die Dinge, die ich Sie lehren kann, das wird Geschenk genug sein.«
»Dann lassen Sie mich bleiben?«
»Sie haben doch gerade gesagt, ich könnte nichts dagegen tun.«
»Das meinte ich auch so.«
»Ich weiß. Wenn ich anderer Ansicht wäre, dann würde ich jetzt einen der besten Paßfälscher von Rom anrufen.«
»Warum sind wir in Rom? Werden Sie mir das jetzt sagen?« Bray antwortete nicht gleich, er überlegte. Dann nickte er. »Warum nicht? Ich will herausfinden, was von einer Familie namens Scozzi übriggeblieben ist.«
»Ist das einer der Namen, die meine Großmutter Ihnen gab?«
»Der erste. Sie stammten aus Rom.«
»Sie sind immer noch in Rom«, sagte Antonia, als machte sie eine Bemerkung über das Wetter. »Zumindest ein Zweig der Familie. Und zwar nicht weit außerhalb der Stadt.«
Scofield sah sie überrascht an. »Woher wissen Sie das?«
»Die Roten Brigaden haben einen Neffen de Scozzi-Paravacinis aus einem Landsitz in der Nähe von Tivoli entführt. Sein Zeigefinger wurde ihm abgeschnitten und zusammen mit der Lösegeldforderung an die Familie geschickt.«
Scofield erinnerte sich an die Zeitungsberichte. Der junge Mann war freigelassen worden, aber Bray erinnerte sich nicht an den Namen Scozzi, nur an Paravacini. Aber an etwas anderes erinnerte er sich: es war kein Lösegeld bezahlt worden. Die Verhandlungen waren intensiv gewesen, schließlich ging es um ein junges Leben. Aber dann war es zu einem Zusammenbruch gekommen, einer Flucht. Der Neffe war von einem verängstigten Kidnapper freigelassen worden, anschließend waren einige Brigatisti getötet worden, von dem Überläufer in eine Falle gelockt.
Hat einer der unsichtbaren Förderer den Roten Brigaden eine Lektion erteilt?
»Hatten Sie irgendwie mit der Sache zu tun?« fragte er.
»Nein. Ich war in dem Lager in Medicina.«
»Haben Sie etwas gehört?«
»Eine ganze Menge. Man redete hauptsächlich von Verrätern und wie man sie möglichst brutal erledigen könnte, um damit ein Exempel zu statuieren. Die Anführer redeten immer so. Bei der Scozzi-Paravacini-Entführung war das sehr wichtig für sie. Der Verräter war von den Faschisten bestochen worden.«
»Was verstehen Sie unter ›Faschisten‹?«
»Ein Bankier, der die Scozzis vor Jahren vertrat. Die Kreise um Paravacini bewilligten die Zahlung.«
»Wie erreichte er sie?«
»Wenn man viel Geld hat, gibt es immer Mittel und Wege. Niemand weiß es genau.«
Bray stand auf. »Ich werde Sie jetzt nicht fragen, wie Sie sich fühlen, aber sind Sie stark genug, um hier wegzugehen?«
»Natürlich«, antwortete sie und zuckte zusammen, als sie die langen Beine über die Bettkante schwang. Der Schmerz traf sie; man sah, wie sich ihr Gesicht verzog. Einen Augenblick lang saß sie reglos da; Scofield hielt ihre Schulter.
Wieder konnte er nicht anders; er berührte ihr Gesicht. »Die achtundvierzig Stunden sind vorbei«, sagte er leise. »Ich werde Taleniekov in Helsinki ein Telegramm schicken.«
»Was bedeutet das?«
»Es bedeutet, daß Sie leben, daß es Ihnen gutgeht und daß Sie in Rom sind. Kommen Sie, ich helfe Ihnen beim Anziehen.«
Ihre Finger berührten seine Hand. »Wenn Sie das gestern vorgeschlagen hätten, weiß ich nicht genau, was ich gesagt hätte.«
»Und was sagen Sie heute?«
»Helfen Sie mir.«
20
An der Via Frascati gab es ein teures Restaurant, das den drei Brüdern Crispi gehörte, deren ältester das Etablissement mit dem Wahrnehmungsvermögen des Meisterdiebes und den Augen eines hungrigen Schakals leitete. Diese Eigenschaften wurden durch ein engelhaftes Gesicht und überschäumende Jovialität perfekt getarnt. Die meisten Bewohner der samtausgeschlagenen Lasterhöhlen des Dolce vita Roms beteten Crispi an, denn er war stets voll Verständnis und diskret, wobei seine Diskretion wertvoller war als seine Sympathie. Nachrichten, die man ihm anvertraute, wurden zwischen Männern und ihren Geliebten, Frauen und ihren Liebhabern, den Machern sowie den Gemachten übermittelt. Er war ein Fels im Meer der Frivolität; die frivolen Kinder aller Altersklassen liebten ihn.
Scofield benutzte ihn. Vor fünf Jahren, als die Probleme der NATO nach Italien übergriffen, hatte Bray seine Klauen in Crispi geschlagen. Der Restaurantbesitzer war eine bereitwillige Drohne gewesen.
Crispi war einer der Männer gewesen, die Bray hatte aufsuchen wollen, bevor Antonia ihm von den Scozzi-Paravacinis erzählt hatte; jetzt war es unerläßlich. Wenn es jemanden in Rom gab, der
Weitere Kostenlose Bücher