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Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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sich zurückgezogen. Daraus schloß er zwei Dinge: Der Eindringling würde warten, bis er seine Wohnung betreten hatte. Wer auch immer er sein mochte, er war entweder unvorsichtig oder unerfahren, vielleicht auch beides. Man bewegte sich nicht, wenn man seinem Opfer so nahe war; die Luft trug die Geräusche zu weit.
    In seiner linken Hand hielt er den Schlüssel; seine rechte Hand hatte die Knöpfe seines Mantels geöffnet und umfaßte jetzt den Kolben seiner Automatik, die in einem offenen Halfter vor seiner Brust hing. Er schob den Schlüssel ins Schloß, öffnete die Tür und riß sie sofort wieder zu. Dann trat er schnell zurück und tauchte lautlos in den Schatten der Treppe. Er blieb an die Wand gelehnt stehen, die Waffe vor sich ausgestreckt.
    Er hörte die Schritte, ehe er die Gestalt auf die Türe zurennen sah. Sie hielt einen Gegenstand in der linken Hand; er konnte ihn jetzt nicht sehen, der dickbekleidete Körper verbarg ihn. Es ging auch nicht um Sekunden. Wenn der Gegenstand ein Explosivkörper war, dann hatte er bestimmt einen Zeitauslöser. Die Gestalt hatte jetzt die rechte Hand gehoben, um an die Türe zu klopfen.
    »Drücken Sie sich gegen die Türe! Die linke Hand zwischen Ihrem Leib und dem Holz! Jetzt!«
    »Bitte!« Die Gestalt wirbelte halb herum, aber Taleniekov war schon über ihr. Er warf sie gegen die Türfüllung. Es war ein junger Mann, ein Knabe eigentlich, noch unter zwanzig, dachte Wassili. Er war groß für sein Alter, das man aus seinem Gesicht lesen konnte; es war bleich, die Augen geweitet, klar und voll Angst.
    »Gehen Sie langsam zurück«, sagte Taleniekov. »Heben Sie die linke Hand. Langsam.«.
    Der junge Mann trat zurück, so daß man seine linke Hand sehen konnte; sie war zur Faust geballt.
    »Ich habe nichts Unrechtes getan, mein Herr. Ich schwöre es!« Der junge Mann flüsterte. Seine Stimme drohte ihm vor Angst zu versagen.
    »Wer sind Sie?«
    »Andrejev Danilowitsch, mein Herr. Ich wohne im Tscheremuschki.«
    »Sie sind weit weg von zu Hause«, sagte Wassili. Der Wohnkomplex, den der junge Mann erwähnte, lag beinahe fünfundvierzig Minuten südlich des Roten Platzes. »Das Wetter ist scheußlich. Jemand Ihres Alters könnte leicht von der Miliz festgenommen werden.«
    »Ich mußte hierher kommen«, antwortete Andrej ev, »ein Mann ist angeschossen worden; er ist schwer verletzt. Ich glaube, daß er sterben wird. Ich soll Ihnen das geben.« Er öffnete die linke Hand; sie hielt ein Rangabzeichen aus Bronze, ein militärisches Rangabzeichen, das Generale zu tragen pflegten. Das Muster war schon seit mehr als dreißig Jahren nicht mehr gebraucht worden. »Der alte Mann hat gesagt, ich solle den Namen Krupskaya erwähnen, Aleksej Krupskaya. Er hat ihn mich ein paarmal wiederholen lassen, damit ich ihn nicht vergesse. Das ist nicht der Name, den er im Tscheremuschki gebraucht, aber er hat gesagt, ich solle ihn Ihnen nennen. Er sagte, ich müßte Sie zu ihm bringen. Er stirbt, mein Herr!«
    Als Taleniekov den Namen hörte, erwachte seine Erinnerung.
    Aleksej Krupskaya! Das war ein Name, den er seit Jahren nicht mehr gehört hatte, ein Name, den nur wenige Leute in Moskau hören wollten. Krupskaya war einmal der größte Lehrer im KGB gewesen, ein Mann mit einem geradezu einmaligen Talent für das Töten und das Überleben – wie man es bei ihm nicht anders erwarten konnte. Er war der letzte der berüchtigten Istrebiteli, jener hochgradig spezialisierten Gruppe von Liquidatoren, die als Eliteabteilung aus dem alten NKWD hervorgegangen war und in der fast vergessenen GPU wurzelte.
    Aber Aleksej Krupskaya war vor mindestens einem Dutzend Jahren verschwunden – wie so viele verschwunden waren. Es hatte Gerüchte gegeben, die ihn mit dem Tod von Berija und Schukow in Verbindung brachten, einige erwähnten sogar Stalin selbst. Einmal war Chruschtschow im Präsidium aufgestanden und hatte Krupskaya und seine Kollegen eine Bande wahnsinniger Mörder genannt. Das stimmte nicht. Die Tätigkeit der Istrebiteli war nie von Wahnsinn gelenkt worden, dazu war sie zu methodisch. Dennoch hatte man eines Tages Aleksej Krupskaya in der Lubjanka nicht mehr gesehen.
    Es gab aber auch noch andere Gerüchte. Gerüchte von Dokumenten, die Krupskaya vorbereitet hatte. Sie waren gut versteckt, garantierten für seine Sicherheit. Es hieß, daß diese Dokumente verschiedene Kreml-Führer mit Dutzenden von Morden in Zusammenhang brachten – gemeldete, ungemeldete und getarnte Morde. Deshalb nahm man

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