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Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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hatte insgeheim die Aktion einer befreundeten Abwehreinheit zunichte gemacht. Vor fünf Jahren hätte er das nicht getan – vielleicht nicht einmal vor zwei Jahren. Er wäre den Strategen jener Einheit entgegengetreten und hätte professionelle Einwände vorgebracht, harte Einwände. Er war ein Experte. Nach seiner Meinung war die Operation nicht nur falsch, sondern auch von wesentlich geringerer Bedeutung als eine andere, die dadurch gestört wurde.
    Heutzutage handelte er anders. Er hatte dies während der letzten zwei Jihre, die er jetzt Direktor der Südwestsektoren war, immer getan. Er traf seine eigenen Entscheidungen und kümmerte sich wenig um die Reaktionen verdammter Narren, die viel weniger wußten als er. Dies verursachte in zunehmendem Maße Ärger in Moskau; aber er tat immer noch das, was er für richtig hielt. Am Ende waren aus diesen kleineren Verärgerungen größere Beschwerden geworden. Man hatte ihn in den Kreml zurückgerufen, an einen Schreibtisch, fernab von allen wichtigen Entscheidungen. Er mußte sich mit immer abstrakter werdenden Dingen befassen, wie zum Beispiel damit, einem amerikanischen Politiker Fallstricke zu legen.
    Taleniekov war gefallen, das wußte er. Es war nur noch eine Frage der Zeit. Würde man ihm eine kleine fuerma nördlich von Grasnov geben und ihm raten, Getreide zu züchten? Oder würden diese Verrückten sich auch da einschalten? Würden sie behaupten, der »außergewöhnliche Taleniekov« sei tatsächlich zu gefährlich?
    Wassili fühlte sich müde. Selbst der Haß, den er für den amerikanischen Killer empfand, der seinen Bruder ermordet hatte, verblaßte im Zwielicht seiner Gefühle.
    Der plötzliche Schneesturm erreichte die Ausmaße eines Blizzards. Am Roten Platz schossen weiße Fontänen in die Höhe. Das Lenin-Mausoleum würde bis zum Morgen mit Schnee bedeckt sein. Taleniekov ließ sich das Gesicht von den eisigen Partikeln massieren, während er gegen den Wind ankämpfte und seiner Wohnung zustrebte. Das KGB war großzügig gewesen. Seine Räume waren zehn Minuten von seinem Büro am Dscherschinski-Platz entfernt, drei Häuserblocks vom Kreml. Das war entweder Großzügigkeit oder etwas anderes, weniger Freundliches, aber unendlich Praktischeres: Sollte man ihn holen wollen, war er mit einem schnellen Wagen in drei Minuten zu erreichen.
    Er trat in den Eingang des Gebäudes und stampfte mit den Füßen auf, als er die schwere Türe hinter sich zuzog und damit das Pfeifen des Windes zum Verstummen brachte. Wie er das stets zu tun pflegte, sah er auch diesmal in seinen Briefkasten. Wie stets war auch diesmal nichts darin. Es war ein sinnloses Ritual, das im Laufe vieler Jahre zu einer bedeutungslosen Angewohnheit geworden war.
    Die einzige persönliche Post, die er je erhielt, kam unter Decknamen, wenn er in fremden Ländern zu tun hatte. Dann war die Korrespondenz chiffriert. Ihre Bedeutung hatte keinerlei Beziehung zu den Worten auf dem Papier. Und doch waren jene Worte manchmal warm und freundlich. Dann stellte er sich einige Minuten lang vor, daß sie das bedeuteten, was sie besagten. Aber nur ein paar Minuten lang; es war nicht gut, sich etwas vorzumachen. Es sei denn, man analysierte einen Feind.
    Er ging die schmale Treppe hinauf und ärgerte sich über das trübe Licht. Er war ganz sicher, daß die Planer in der Iliktritschiskaya von Moskau nicht in solchen Gebäuden wohnten.
    Dann hörte er das Knarren. Es hatte nichts mit der Kälte oder dem Wind draußen zu tun. Das war das Geräusch eines menschlichen Wesens, das sein Gewicht auf einer Diele verlagerte. Er hatte das Gehör des ausgebildeten Experten und konnte schnell Entfernungen schätzen. Das Geräusch kam nicht von der Treppenkehre über ihm, sondern von weiter oben. Seine Wohnung lag im nächsten Stockwerk; jemand wartete dort auf ihn. Jemand wollte vielleicht sogar, daß er seine Räume betrat, um ihm eine Falle zu stellen.
    Wassili stieg weiter nach oben. Der Rhythmus seiner Schritte blieb gleich. Die Jahre hatten ihn dazu erzogen, Dinge, wie Schlüssel und Kleingeld, immer in der linken Tasche zu tragen. So blieb seine Rechte frei, um schnell nach einer Waffe greifen zu können, oder selbst als Waffe gebraucht zu werden. Jetzt hatte er die nächste Etage erreicht und wandte sich um; seine Türe war nur einige Schritte entfernt.
    Da war das Knarren wieder, schwach, nur undeutlich zu hören, vom Geräusch des Windes draußen halb überlagert. Wer auch immer auf der Treppe lauerte, hatte

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