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Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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vielleicht, ohne sich dessen bewußt zu sein. Mütter waren eine viel bessere Informationsquelle, als man allgemein annahm, nicht mit dem, was sie sagten, sondern mit dem, was sie nicht sagten, mit Themen, die sie plötzlich wechselten.
    Es war zwanzig Minuten nach neun. Bray fragte sich, ob es ihm gelingen würde, an Appletons Mutter heranzukommen, aber das hatte nicht die erste Priorität. Vielleicht parkte ein Wagen vor ihrem Haus, in ihm ein Mann, vielleicht auch zwei. Wenn es solche Männer gab, und er sie unschädlich machte, würden die Matarese wissen, daß er in Boston war; dafür war es noch zu früh. Aber vielleicht lieferte ihm die Mutter einen Namen, irgend etwas, was ihn weiterführte; er hatte so wenig Zeit. Man erwartete Mr. B. A. Vickery im Ritz Carlton Hotel, aber wenn er dort eintraf, dann brauchte er einen Hebel. Das beste wäre natürlich, wenn er seine eigene Geisel hätte; er brauchte Joshua Appleton IV.
    Es gab keine Hoffnung. Es gab nichts, das nicht wert gewesen wäre, versucht zu werden. Es gab den Instinkt.
    Die Chestnut Street, die zum Louisburg Square hinaufführte, stieg steil an. Mit jeder Querstraße, die er hinter sich ließ, wurde die Gegend ruhiger. Es war, als verließe man eine profane Welt, um in eine geheiligte Welt einzutreten; anstelle greller Neonröhren trat das gedämpfte Flackern von Gaslampen, anstelle glatten Asphalts gepflegtes Kopfsteinpflaster. Schließlich erreichte er den Louisburg Square und hielt sich im Schatten eines Ziegelbaus an der Ecke.
    Er holte einen kleinen Feldstecher aus dem Aktenkoffer, hob ihn an die Augen und musterte jeden einzelnen Wagen, der rings um den kleinen Park mit seinem Eisenzaun parkte, welcher das Zentrum des Louisburg Square bildete.
    Da war niemand.
    Bray legte das Glas wieder in den Koffer zurück, verließ den Schatten des Ziegelbaus und ging die friedliche Straße auf das Appleton-Haus zu. Die stattlichen Häuser, die den kleinen Park mit dem schmiedeeisernen Zaun und seinem Tor umgaben, waren ganz ruhig. Die Nachtluft war jetzt bitterkalt und die Gaslampen flackerten jedesmal, wenn ein eisiger Windstoß sie erreichte; die Fenster waren geschlossen. In den Kaminen von Louisburg Square brannten die Feuer. Dies war in der Tat eine andere Welt, fern dem Treiben der wirklichen Welt draußen, fast isoliert, jedenfalls von innerem Frieden erfüllt.
    Er ging die weißen Steintreppen hinauf und klingelte. Die Kutschenlampen zu beiden Seiten der Türe leuchteten heller als ihm lieb war.
    Er hörte Schritte näher kommen; eine Nurse öffnete die Tür, und er wußte sofort, daß die Frau ihn erkannte; die Art, wie ihre Augen sich ganz kurz weiteten, wie sie aufschnaufte, sagte ihm das. Das erklärte ihm, weshalb niemand auf der Straße war, die Wache befand sich im Hause.
    »Mrs. Appleton, bitte?«
    »Sie hat sich leider schon zurückgezogen.«
    Die Nurse schickte sich an, die Tür zu schließen. Scofield stellte den linken Fuß dazwischen, stemmte die Schulter gegen das schwere Türblatt und drückte sie auf.
    »Sie wissen leider, wer ich bin«, sagte er, trat ein und ließ seinen Koffer fallen.
    Die Frau wirbelte herum und ihre rechte Hand schoß in die Tasche ihrer Uniform. Bray konterte, packte sie am Handgelenk, stieß sie herum, riß das Handgelenk nach unten. Sie schrie. Scofield riß sie zu Boden, sein Knie bohrte sich ihr ins Kreuz. Er legte ihr von hinten den Arm um den Hals, drückte zu und preßte ihr den Unterarm über das Schulterblatt. Dann zog er kräftig hoch, während sie stürzte; noch etwas mehr Druck, und er hätte ihr das Genick gebrochen. Aber das wollte er nicht. Er wollte diese Frau lebend haben; sie brach bewußtlos auf dem Boden zusammen.
    Er kauerte stumm da, nahm den kurzläufigen Revolver aus der Tasche der Nurse und wartete darauf, Geräusche zu hören oder Menschen zu sehen. Irgend jemand im Inneren des Hauses mußte den Schrei gehört haben.
    Da war nichts – doch – etwas, aber es war so schwach, daß er es nicht erkennen konnte. Er sah ein Telefon neben der Treppe und kroch darauf zu, um den Hörer abzunehmen. Da war nur das Summen des Wähltons zu hören; niemand telefonierte. Vielleicht hatte die Frau die Wahrheit gesagt; es war durchaus möglich, daß Mrs. Appleton schon zu Bett gegangen war. Er würde das gleich wissen.
    Aber vorher mußte er etwas anderes wissen. Er ging zu der Frau zurück, zog sie unter den Lichtkegel der Deckenlampe und riß ihre Uniform auf. Er zerriß das Hemd und den

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