Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
für einen Außendienstmann ein Teil der normalen Lebensweise. Man achtete nicht sonderlich darauf. Der Mann im Außendienst akzeptierte die Tatsache, daß er ein Verbrecher war, ehe irgendwelche Verbrechen begangen worden waren. Folglich ergriff er beim ersten Anzeichen irgendwelcher Aktivitäten Maßnahmen, um sich zu schützen. Für ihn war das wie eine zweite Natur.
    Genau das hatte Bray getan. Während der Bote von Taleniekov auf der anderen Seite des Korridors in dem Hotel an der Nebraska Avenue in seinem Zimmer gesessen war, hatte Scofield einige Telefongespräche geführt. Das erste mit seiner Schwester in Minneapolis, der er mitteilte, er würde in ein paar Stunden in den Mittleren Westen fliegen und sie in ein oder zwei Tagen besuchen. Der zweite Anruf galt einem Freund in Maryland, einem Hochseefischer, mit einem Zimmer voll ausgestopfter Trophäen an den Wänden. Er fragte nach einem guten, kleinen Hotel in der Karibik, das ihn kurzfristig aufnehmen würde. Der Freund hatte einen Freund in Charlotte Amalie. Dieser besaß ein Hotel und hielt sich für solche Notfälle immer zwei oder drei Zimmer frei. Der Fischer aus Maryland würde ihn anrufen.
    So befand er sich am Abend des Sechzehnten praktisch auf dem Wege in den Mittleren Westen… oder in die Karibik. Beide Orte waren mehr als fünfzehnhundert Meilen von Washington entfernt – wo er unbeobachtet blieb, ohne das Hotelzimmer gegenüber des sowjetischen Briefkastens je zu verlassen.
    Wie oft hatte er jüngeren, weniger erfahrenen Agenten die Lektion eingehämmert: Ein Mann, der reglos in einer Menschenmenge stehenblieb, war nur sehr schwer zu entdecken.
    Aber die Sache war mit jeder verstreichenden Stunde schwieriger geworden. Alle Möglichkeiten mußten durchdacht werden. Am wahrscheinlichsten war, daß der Russe einen toten Briefkasten aktiviert hatte, den nur er und sein Bote kannten. Man konnte unauffällig Instruktionen nach Bern schicken und die Zimmer telegrafisch mieten. Wochen würden verstreichen, bis die Information nach Moskau durchsickerte – ein Briefkasten unter Tausenden, die es auf der ganzen Welt gab.
    Wenn dem so war – und es war vielleicht die einzige Erklärung –, handelte Taleniekov nicht nur auf eigene Faust, sondern sogar im Konflikt mit den Interessen des KGB. Seine Racheaktion hatte für ihn einen höheren Stellenwert als seine Loyalität zu seiner Regierung. Falls dieser Begriff noch eine Bedeutung hatte. Für Scofield hatte er es jedenfalls kaum. Das war die einzige Erklärung. In jedem anderen Falle würde die Zimmerflucht auf der anderen Seite des Korridors inzwischen von Sowjets wimmeln. Sie würden vielleicht vierundzwanzig oder auch sechsunddreißig Stunden warten, um sich zu vergewissern, daß sie nicht vom FBI überprüft wurden, aber nicht länger. Es gab zu viele Möglichkeiten, sich der Beobachtung durch das Büro zu entziehen.
    Sein Instinkt sagte Bray, daß er recht hatte. Dieser Instinkt hatte sich über die Jahre bis zu einem Grad entwickelt, daß er ihm blind vertraute. Jetzt mußte er sich in Taleniekovs Lage versetzen, so denken, wie dieser denken würde. Das war sein bester Schutz gegen ein Messer in den Rücken oder eine Kugel aus einem HV-Gewehr. Nur so konnte man das Ganze zu Ende bringen und brauchte nicht darüber nachzudenken, was sich in den Schatten oder Menschenmengen verbarg.
    Der KGB-Mann hatte keine Wahl. Er war am Zuge. Es mußte in Washington geschehen. Man fing mit der räumlichen Verbindung an. Das war der stumme Briefkasten auf der anderen Seite des Korridors. In ein paar Tagen – vielleicht auch nur Stunden – würde Taleniekov auf dem Dulles Airport landen. Dann würde die Jagd beginnen.
    Aber der Russe war kein Narr. Er würde nicht in die Falle gehen. Statt dessen würde ein anderer kommen, jemand, der nichts wußte. Den man dafür bezahlt hatte, als Tarnung zu dienen, ohne es zu wissen. Ein argloser Passagier, dessen Freundschaft man sorgfältig während eines transatlantischen Fluges gepflegt hatte; vielleicht auch eine der Kontaktpersonen, die Taleniekov in Washington hatte. Männer und Frauen, die keine Ahnung hatten, daß der Europäer, dem sie gegen gute Bezahlung Gefälligkeiten erwiesen, ein Stratege des KGB war. Unter ihnen würde sich der Lockvogel oder die Lockvögel befinden, ebenso wie andere Vögel. Lockvögel wußten nichts, sie waren nichts als Köder. Vögel beobachteten und schlugen Alarm, wenn der Köder angenommen wurde. Vögel und Köder, das würden

Weitere Kostenlose Bücher