Der Matarese-Bund
würde er nicht unter den Kugeln von Marseille, Prag oder Moskau sterben. Dafür war er zu gut; er war stets besser gewesen.
Nach Taleniekov hatte er elf Minuten; zwei davon waren verstrichen, seit der Russe diese Erklärung abgegeben hatte. Die Falle war sein Zimmer. Wenn der Mann aus Prag der war, den Taleniekov beschrieben hatte, würde der Angriff schnell kommen, unter geringstem Risiko. Zuerst würden Gaspatronen eingesetzt werden, deren Dämpfe jedermann im Raum lahmten. Das war eine Taktik, wie sie der Killer aus Prag schätzte; er ging nur selten ein Risiko ein.
Sein unmittelbares Ziel war es daher, die Falle zu verlassen. In den Korridor konnte er nicht gehen, wahrscheinlich nicht einmal die Türe öffnen. Da Amsterdam die Aufgabe hatte, ihn herauszulocken, und dies nicht geschehen war, würden Prag und Marseille ihm näherrücken. Wenn niemand im Korridor war – wie man aus der dort herrschenden Stille schließen konnte –, hatten sie nichts zu verlieren. Ihr Plan würde nicht verschoben werden, aber man konnte ihn beschleunigen.
Niemand im Korridor… Oder doch? Leute, die herumliefen, aufgeregte Menschen, Ablenkung. Meistens kam eine Menschenansammlung dem Killer zustatten, nicht dem Zielobjekt, besonders, wenn das Ziel identifiziert werden konnte und einer der Killer nicht. Andererseits konnte ein Zielobjekt, das präzise wußte, wann und wo der Angriff stattfinden sollte, eine Menschenansammlung dazu benutzen, ihm Deckung zu verschaffen: Eine Flucht im Durcheinander und eine Änderung des Aussehens. Diese Änderung konnte gering sein, gerade ausreichend, um Unschlüssigkeit zu erzeugen; überflüssiges Schießen während einer Exekution war zu vermeiden.
Acht Minuten. Oder weniger. Vorbereitung war alles. Er würde nur seine wesentlichen Habseligkeiten mitnehmen, denn wenn er einmal zu fliehen anfing, würde er weiterfliehen müssen. Keiner konnte sagen, wie lange und wie weit, noch konnte er sich darüber jetzt schlüssig werden. Er mußte die Falle verlassen und vier Männern entkommen, die ihn töten wollten. Vier Männern, von denen einer besonders gefährlich war, weil weder Washington noch Moskau ihn geschickt hatten. Er war selbst gekommen.
Bray eilte zu der toten Frau, zerrte sie ins Bad, wälzte die Leiche hinein und schloß die Tür. Dann hob er die Lampe mit dem schweren Sockel und ließ sie auf den Türknopf herunterkrachen; das Schloß klemmte, jetzt konnte man die Türe nur noch öffnen, indem man sie aufbrach.
Seine Kleider konnten zurückbleiben. An ihnen gab es keine Wäschezeichen oder sonstige Hinweise, die unmittelbar auf Brandon Scofield hindeuteten. Fingerabdrücke würden das tun, aber bis man sie abnahm und untersuchte, würde Zeit vergehen. Bis dahin würde er schon weit entfernt sein – wenn es ihm gelang, das Hotel lebend zu verlassen. Anders war es mit seinem Aktenkoffer; er enthielt zu viele Gegenstände seines Berufes. Er klappte ihn zu, verstellte die Kombination und warf ihn aufs Bett. Dann zog er sein Jackett an und ging zurück zum Telefon. Er nahm den Hörer ab und wählte die Zentrale.
»Zimmer zweihundertdreizehn«, sagte er im Flüsterton, als wäre er sehr schwach. »Ich will Sie nicht erschrecken, aber ich kenne die Symptome. Ich habe einen Schlaganfall gehabt. Ich brauche Hilfe…«
Er ließ den Telefonhörer gegen den Tisch krachen und zu Boden fallen.
10
Taleniekov zog den schwarzen Mantel an und griff nach dem grauen Halstuch, das immer noch um Amsterdams Hals geschlungen war. Er riß es herunter, schlang es sich selbst um und hob den grauen Hut auf, der neben den Stuhl gefallen war. Er war zu groß. Er drückte ihn ein, damit er weniger auffällig saß, und ging auf die Türe zu, wobei er an dem Ankleideraum vorbeikam.
»Bleiben Sie wo Sie sind und verhalten Sie sich ruhig«, rief er dem darin eingeschlossenen Paar zu. »Ich werde draußen im Korridor sein. Wenn ich Lärm höre, komme ich zurück, dann ergeht es Ihnen schlecht.«
Draußen rannte er zum Aufzug und daran vorbei zu dem einfachen dunklen Lift am Ende des Korridors. An der Wand stand ein Tischchen, das vom Zimmerservice zum Abstellen der Tabletts benutzt wurde. Er zog seine Graz-Burya aus dem Gürtel, schob sie in die Manteltasche und drückte mit der linken Hand den Knopf. Das rote Licht leuchtete über der Türe auf; die Liftkabine befand sich im zweiten Stock. Marseille hielt sich bereit, wartete auf Beowulf Agate.
Das Licht erlosch, und kurz darauf leuchtete die Ziffer 3 auf,
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