Der Matarese-Bund
Taleniekov war in dem Hotel. Das war alles, was er wissen mußte.
Zimmer fünf-null-fünf. Taleniekov hatte die Nummer über das Telefon angegeben; er hatte gesagt, daß er ihn dort erwarten würde. Bray überlegte, versuchte sich an eine Chiffre oder einen Code zu erinnern, der zu den Ziffern paßte, aber es wollte ihm keiner einfallen. Er hatte Zweifel, daß der KGB-Mann seinen Aufenthaltsort exakt angeben würde.
Fünf-null-fünf.
Fünf-Tod-fünf?
Ich erwarte Sie im fünften Stockwerk. Einer von uns wird sterben.
War es so einfach? Hatte sich in Taleniekov alles auf die Herausforderung konzentriert? War sein Ego so entzündet oder seine Erschöpfung so vollständig, daß ihm nichts anderes mehr blieb, als den Ort des Duells anzugeben?
Um Himmels willen, bringen wir es hinter uns! Ich komme, Taleniekov! Mag sein, daß Sie gut sind, aber dem Mann, den Sie Beowulf Agate nennen, sind Sie nicht gewachsen!
Das Ego. So notwendig. Aber so ermüdend.
Der Lift erreichte das sechste Stockwerk. Bray hielt den Atem an, als zwei gut gekleidete Männer eintraten. Sie redeten über Geschäfte, die Zahlen des letzten Jahres, ein langweiliges Thema. Beide musterten ihn kurz mißbilligend; er begriff: der Bart, seine blutunterlaufenen Augen. Er drückte seinen Aktenkoffer an sich und wich ihren Blicken aus. Die Türen begannen sich wieder zu schließen, da trat Bray vor, die Hand in der Jackentasche.
»Entschuldigen Sie«, murmelte er. »Das ist ja mein Stockwerk.«
In dem langen Korridor, der direkt vor ihm lag, vier Stockwerke über 211 und 213, war niemand zu sehen. Ganz vorne rechts waren zwei Türen mit kreisförmigen Fenstern. Der Personallift. Ein Türflügel hatte sich gerade geschlossen, er zitterte noch. Scofield zog seine Automatik ein Stück aus dem Gürtel, hielt dann inne, als er hinter den Pendeltüren das Klappern von Geschirr hörte. Jemand schaffte ein Tablett weg. Ein Mann, der jemanden töten wollte, machte keinen Lärm.
Auf der linken Seite, in der Nähe der Treppen, war eine Putzfrau gerade mit einem Zimmer fertig geworden. Sie zog die Türe zu und begann müde ihren Karren auf die nächste Türe zuzuschieben. Fünf-null-fünf.
Fünf-Tod-fünf.
Wenn es einen Treffpunkt gab, so war er darüber, über ihm. Aber es war ein Höhenvorteil, der ihm keinen Einblick bot, und die Zeit begann knapp zu werden. Er dachte kurz daran, sich der Putzfrau zu nähern, sie irgendwie als Vorhut zu benutzen, aber das kam wegen seines Aussehens nicht in Frage. Wegen seines Aussehens kamen viele Dinge nicht in Frage; Rasieren war ein Luxus gewesen, den er sich nicht hatte leisten können; auch ein Verrichten seiner Notdurft bedeutete wertvolle Augenblicke, die er aufgab, da er die Falle nicht beobachten konnte. Diese kleinen Dinge wurden so drohend, nahmen während des Wartens so viel Bedeutung an. Und er war so müde.
Es kam auch nicht in Frage, den Personallift zu benutzen; das war eine Kabine, die man zu leicht anhalten und isolieren konnte. Die Treppe war auch nicht viel besser, bot aber immerhin einen kleinen Vorteil; abgesehen vom Dach – falls es einen Ausgang vom Dach aus gab – führte sie nicht höher. Die Sichtverhältnisse begünstigten immer den höher Stehenden. Raubvögel stießen von oben zu, nur selten von unten.
Aber Haie taten das.
Ein Ablenkungsmanöver. Irgendein Ablenkungsmanöver. Es war bekannt, daß Haie leblose Gegenstände angriffen, irgendwelches Treibgut.
Bray ging schnell auf die schwere Türe zu, hinter der die Treppe in die Tiefe führte und blieb kurz an dem Karren der Putzfrau stehen. Er entnahm ihm vier gläserne Aschenbecher, stopfte sie sich in die Taschen und hob den Aktenkoffer zwischen Arm und Brust.
So leise wie möglich drückte er die Schubstange nieder; die schwere Stahltüre öffnete sich. Er begann, die Treppe hinunterzuschleichen, hielt sich dicht an der Wand, lauschte auf die Geräusche seines Feindes.
Da waren sie. Einige Stockwerke weiter unten konnte er schnelle Schritte auf den Betonstufen hören. Sie hielten inne, und Scofield blieb reglos stehen. Was nun geschah, verwirrte ihn. Ein schneidendes Geräusch war zu hören, eine Folge schneller Bewegungen – scharrend, metallisch. Was war das?
Er blickte nach oben auf die Metalltüre, durch die er gerade gegangen war. Jetzt wußte er es. Die Treppe war ihrem Wesen nach ein Feuerausgang; die Türen ließen sich nur von innen öffnen, nicht vom Treppenhaus aus, und verhinderten somit, daß sich Diebe einschleichen
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