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Der Matarese-Bund

Der Matarese-Bund

Titel: Der Matarese-Bund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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dazugehörten, wenn man von der See lebte. Statt dessen saß er alleine auf Deck, eine Thermoskanne mit Kaffee in der einen Hand, in der hohlen anderen eine Zigarette. Man war sich darüber einig, daß er, sollten französische oder italienische Streifenboote auftauchen, ein Fischer werden würde, sonst aber würde man ihn alleine lassen. Niemand hatte etwas gegen diesen fremden Mann ohne Namen einzuwenden, denn jedes Mannschaftsmitglied war wegen seiner Anwesenheit um hunderttausend Lire reicher geworden. Das Boot hatte ihn an einem Pier in San Vincenzo aufgenommen. Eigentlich hätten sie bei Morgendämmerung von der italienischen Küste ablegen sollen, aber der Fremde hatte gemeint, wenn sie die Küste Korsikas bei Morgendämmerung erblickten, würden Kapitän und Mannschaft einen viel besseren Fang machen. Der Kapitänsrang brachte Privilegien mit sich; der Kapitän erhielt hundertfünfzigtausend Lire. So waren sie vor Mitternacht von San Vincenzo abgesegelt.
    Scofield schraubte den Deckel auf das Thermosgefäß und warf seine Zigarette über die Reling. Er stand auf, streckte sich und spähte durch den Nebel zur Küste hinüber. Sie waren schnell vorangekommen. Der Kapitän hatte gesagt, daß sie in wenigen Minuten Solenzara sehen würden. Binnen einer Stunde würden sie ihren geschätzten Passagier zwischen Sainte-Lucie und Porto Vecchio absetzen. Niemand rechnete mit Problemen; für ein leicht beschädigtes Boot gab es Dutzende verlassener Buchten an der felsigen Küste.
    Bray zog an der Schnur, die um den Griff seines Aktenkoffers geschlungen und an seinem Handgelenk befestigt war; sie war fest – und naß. Die von der Schnur verursachte Abschürfung an seinem Handgelenk wurde von dem Salzwasser gereizt, aber das würde schnell heilen, das Salz half da sogar mit. Vielleicht war die Vorsichtsmaßnahme überflüssig, aber doch mindestens ebenso wichtig wie die Tatsache, daß man die Schnur sah. Man konnte dösen, und bekanntermaßen waren Corsos sehr schnell dabei, Reisende um ihre Wertgegenstände zu erleichtern – insbesondere Reisende, die ohne Identifikation, aber mit Geld reisten.
    »Signore!« Der Kapitän kam auf ihn zu, und sein breites Lächeln ließ erkennen, daß ihm einige wesentliche Zähne fehlten. »Ecco Solenzara! Ci arriveremo subito – trenta minuti. E nord di Porto Vecchio!«
    »Benissimo, grazie!«
    »Prego!«
    In einer halben Stunde würde er an Land sein, in Korsika, in den Hügeln, wo die Matarese ihren Ursprung hatten. Daß es einen solchen Ursprung gab, stand außer Zweifel, und daß die Matarese bis in die Mitte der dreißiger Jahre hinein bezahlte Meuchelmörder geliefert hatten, galt als sichere Wahrscheinlichkeit. Ansonsten wußte man aber so wenig über sie, daß niemand sagen konnte, wieviel davon Mythos war und wieviel sich auf Realität gründete. Die Legende wurde gleichzeitig gefördert und abgetan; in ihrem Wesen war sie ein Rätsel, weil niemand ihren Ursprung kannte, nur daß ein Verrückter namens Guillaume de Matarese einen Rat zusammengerufen – von woher, war nie aufgezeichnet worden – und eine Bande von Meuchelmördern gegründet hatte, die, wie manche behaupteten, auf die Assassinen-Gesellschaft von Hassan Ibn-al-Sabbah im elften Jahrhundert zurückzuführen war.
    Und doch roch dies nach Kult. Das förderte den Mythos und war dem Realitätsgehalt abträglich. Nie war Zeugnis vor Gericht abgegeben worden, nie ein Meuchelmörder gefangen worden, den man zu einer Organisation zurückverfolgen konnte, die sich die Matarese nannte; falls es Geständnisse gab, so waren diese nie an die Öffentlichkeit gedrungen. Und doch hielten sich die Gerüchte hartnäckig. An hohen Stellen kreisten Berichte; in verantwortungsbewußten Zeitungen erschienen Artikel, nur um dann in späteren Ausgaben dementiert zu werden. Einige unabhängige Studien wurden begonnen, aber falls je eine davon abgeschlossen wurde, so kannte doch niemand das Ergebnis. Und während der ganzen Zeit gaben die Regierungen keinen Kommentar ab. Nie. Sie blieben stumm.
    Für einen jungen Abwehroffizier, der die Geschichte des Meuchelmordes vor Jahren zu studieren begonnen hatte, war es gerade dieses Schweigen, das den Matarese eine gewisse Glaubwürdigkeit verlieh.
    Ebenso wie ihn ein anderes Schweigen, das plötzlich vor drei Tagen begonnen hatte, überzeugte, daß das Treffen in Korsika kein Vorschlag war, der unter dem Druck der Gewalt gemacht worden war, sondern das einzige, was noch übrigblieb. Die

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